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10.07.10 / Struktur der Welt / Philosoph versucht Glaube, Vernunft und Wahrnehmung zu ergründen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Struktur der Welt
Philosoph versucht Glaube, Vernunft und Wahrnehmung zu ergründen

Es gibt Dogmen der modernen Welt, die im Namen der Vorurteilsfreiheit zumeist unbefragt hingenommen werden: Dazu gehört, dass Wunder im Widerspruch zur Vernunft stehen müssen und dass Gottes Wirken in der Welt sich vielleicht dem Glauben, nicht aber dem Denken erschließt. Im Hintergrund aber steht die Überzeugung, wie „herrlich weit“ wir es gegenüber früheren Epochen gebracht haben und dass ein säkulares, nicht-christliches Weltbild immer einen Vorsprung an Rationalität gegenüber dem christlichen hätte. Es erfordert Mut und eine bemerkenswerte Begabung, wenn ein Philosoph diese Unbefragtheiten durchbricht. Daniel von Wachter gelingt dies auf einem sehr hohen Niveau: auf der Höhe der Philosophie der Zeit, in hartem Nachdenken, das sich nichts schenkt.

Sein Buch, eine preisgekrönte Münchener Habilitationsschrift, zeigt in brillanter Argumentation, dass Kausalität und Freiheit einander nicht ausschließen.

Im Einzelnen führt er den Nachweis, dass die Welt eine durchgehende sinnvolle Kausalstruktur hat. Naturgesetze sind nicht nur Interpretationen oder modellhafte Konstrukte. Sie beziehen sich vielmehr auf die Realität der Welt. Die Kausalität ist aber zugleich mit menschlicher Willensfreiheit und göttlichem Handeln in Natur und Geschichte vereinbar. Wichtig ist dabei die Verbindung von Ursache und Tendenz: Tendenzen oder Dis-positionen sind bestimmend dafür, was geschieht, wenn eine Disposition in bestimmte Verhältnisse kommt. Eine für das moderne Weltbild so unangefochtene Auffassung, wie jene Humes, wonach es keine Kausalverbindungen gebe, wird damit zu Fall gebracht. Von Wachter beweist überdies in imponierender Weise, dass Metaphysik als Wissenschaft auch nach Kant möglich ist. Allerdings muss Metaphysik keineswegs auf Erfahrungsunabhängigkeit („apriori“) und auf unbedingte Apodiktizität festgelegt werden.

Wachter fragt schließlich im krönenden Schlussteil seiner Arbeit, „wie die Welt ist, wenn es einen Gott gibt“. Die Eigenschaften Gottes sind für ihn nicht, wie für die Hauptlinie der gegenwärtigen Theologie, nur metaphorische Aussagen. Wir können sie vernünftig denken. So sehr es Unterschiede zwischen menschlichen, endlichen, und göttlichen, absoluten Handlungen gibt, bedeutet dies nicht, dass von Handlungen Gottes nur metaphorisch gesprochen werden könnte. Der Philosoph von Wachter setzt sich begründet mit der Entmythologisierung Rudolf Bultmanns und seiner „existenzialen Interpretation“ auseinander.

Von Wachters Denken zielt auf das begründete objektiv Wahre und Wirkliche. Er ist von der Überzeugung geleitet, dass die Strukturen der Welt erkennbar seien und dass es ein Irrweg der Neuzeit sei, wenn sich ihr Denken nur auf das Bewusstsein beziehungsweise auf die Vermittlungsinstanzen wie die Sprache beziehe. Damit schreibt von Wachter den Aufbruch der Phänomenologie in den 20er Jahren fort: zu den Sachen selbst!, er steht aber zugleich in der Folge der klassischen Metaphysik. Doch der methodische Scharfsinn, die geniale Wahl der Beispiele, die Klarheit der Sprache verdankt sich der Schulung in Oxford und der Zusammenarbeit mit dem Meister der englischen Religionsphilosophie Richard Swinburne.

Während viele Geisteswissenschaftler sich heute den Grundfragen von Sein und Gott verweigern, und abstrahierend verfahren, eine Haltung, die ethisch Zynismus und Nihilismus naheliegt, zielt von Wachter auf einen umfassenden Wirklichkeitsbegriff, der sehr viel weiter reicht als das raum-zeitlich Sichtbare.

Von Wachter nimmt auf eigenständige Weise die große Frage nach dem Zusammenhang von Glaube und Vernunft auf, die auch im Zentrum des Pontifikates von Papst Benedikt XVI. steht. An die alten Traditionen des Denkens zu erinnern, ist für sich schon eine große Leistung. Sie ingeniös weiterzuführen ist den besten Köpfen vorbehalten. Daniel von Wachter wird zu ihnen gezählt werden dürfen.

Der Autor lehrt heute als Professor an der Internationalen Akademie für Philosophie in Santiago de Chile. Es ist aber zu wünschen, dass sein Denken auch in den deutschen Geisteswissenschaften, namentlich in Philosophie und Theologie, die Wirkung findet, die ihm zukommt.         Harald Seubert

Daniel von Wachter: „Die kausale Struktur der Welt – Eine philosophische Untersuchung über Verursachung, Naturgesetze, freie Handlungen, Möglichkeit und Gottes Wirken in der Welt“, Alberverlag, Freiburg/München 2009, geb., 384 Seiten, 49 Euro


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