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17.07.10 / Es brennt im linken Blätterwald / »Neues Deutschland« und »Junge Welt« hauen sich ihre SED-Verstrickungen um die Ohren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

Es brennt im linken Blätterwald
»Neues Deutschland« und »Junge Welt« hauen sich ihre SED-Verstrickungen um die Ohren

Wer war tiefer in die Machenschaften des SED-Regimes verstrickt? Zwischen dem einstigen SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ und dem früheren FDJ-Blatt „Junge Welt“ tobt ein bizarrer Streit.

Früher war die Hackordnung klar: Das „Neue Deutschland“ („ND“) war das Zentralorgan der SED, das die hochoffizielle Linie der Partei ins Volk bringen sollte. Die „Junge Welt“ („JW“) als FDJ-Blatt war für die „Aufklärung“ der Jugend in der DDR zuständig. Heute jedoch ist die Rangordnung der beiden Flaggschiffe des linksextremen Journalismus in Bewegung geraten. Die Verunsicherung führt neuerdings sogar zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden einstigen Bruderblättern.

Vor wenigen Tagen eskalierte der Konflikt. Ausgerechnet das „Neue Deutschland“ denunzierte den Chefredakteur der „Jungen Welt“, Arnold Schölzel, als Stasi-Mann. Ein sehr skurriler Vorwurf in diesem Milieu. Anlass war die Vorstellung des Buchs von Inga Wolfram „Verraten – Sechs Freunde, ein Spitzel, mein Land und ein Traum“. Gunnar Decker vom „ND“ fährt schweres Geschütz auf: „Wer ist dieser Arnold Schölzel, der als IM André Holzer maßgeblich Informationen zu einer fünftausendseitigen Akte über Reform-Diskussionen … zusammentrug, mit einer frappierenden Beflissenheit jahrelang jedes Gespräch aufzeichnete und weitermeldete? Und wer waren die, die er als Staatsfeinde mit tschekistischem Eifer denunzierte?“ Es geht hier um einen konspirativen Kreis von linkssozialistisch-kommunistischen Studenten, den Schölzel an die Staatssicherheit verraten hatte. „ND“-Autor Decker beschreibt Ziele und Schicksal des Kreises: „Ähnliche Erfahrungen machten auch die anderen sechs Studenten der sich konspirativ treffenden Gruppe, die sich von den verdorbenen Greisen (Wolf Biermann) nicht ihr Bild von Sozialismus vorschreiben lassen wollten. Viele von ihnen sind Kinder von Verfolgten des Naziregimes. Wolfgang Templin, Sohn eines russischen Militärarzts, war Parteiguppenorganisator und als IM angeworben – er offenbarte sich in der Gruppe. Jan Lautenbach und Dieter Krause waren Funktionärskinder, Klaus Wolfram kam aus einer Künstlerfamilie und Sebastian Kleinschmidt war der Sohn von Karl Kleinschmidt, Domprediger in Schwerin und christlicher Sozialist. Alle sahen sie, wie ihr Bild vom Sozialismus sich von der Realität der DDR immer weiter entfernte. Nur der siebente in der Gruppe, Arnold Schölzel, Sohn eines Beamten in Westdeutschland, während seines Wehrdienstes desertiert und (1967) in die DDR geflohen, fiel aus dem Rahmen dieser gemeinsamen Erfahrung. Für ihn war mit Hegel allein der Staat die Verkörperung der Idee, ihm ging es um die Machtfrage.“

Voller Gift und Galle schlug „Junge Welt“-Autor Dietmar Koschmieder zurück: „,Neues Deutschland‘ klagte am vergangenen Samstag im Feuilleton den Chefredakteur der Tageszeitung ,Junge Welt‘, Arnold Schölzel, mindestens der sieben Todsünden an“, die er sogleich wortreich zu widerlegen trachtete. Koschmieder erklärt die „ND“-Artikel zur billigen persönlichen Attacke und haut dem Blatt dessen eigene blutrote Vergangenheit um die Ohren: „Autor Decker will offensichtlich nicht aufklären, sondern abrechnen ... Das hat nun Schölzel davon, dass er nicht akzeptieren will, sich damals auf die falsche Seite geschlagen zu haben. Dabei gibt es doch einen Markt mit großer Nachfrage für Irrtümer aus der Vergangenheit, wenn man sie nur leidend und radikal gewendet genug vortragen kann.“ Koschmieder denunziert sodann selbst: „Das lebt Hans Dieter Schütt vor, Chefredakteur der ,Jungen Welt‘ bis 1989. Heute ist er Feuilleton-Chef des ,Neuen Deutschland‘“. Schließlich macht sich der „JW“-Autor über die sinkenden Leserzahlen des „Neuen Deutschland“ lustig: „Nutzen wird es ,der Großen unter den Linken‘ nicht. Aber es gibt Dienste und Personen genug, die diesen Artikel für ihren Kampf gegen die ,Junge Welt‘ einsetzen werden.“

Tatsächlich wollen Insider wissen, dass Linkspartei-Politiker in zunehmendem Maße die „Junge Welt“ abonnieren. Weiter wird kolportiert, dass der Streit im Zusammenhang mit dem Stimmverhalten der Wahlmänner der Linkspartei bei der Bundespräsidentenwahl stehe. Einige Vertreter der Partei hatten laut darüber nachgedacht, (aus taktischen Erwägungen) Joachim Gauck ihre Stimme zu geben. Darüber hatten sich treue, meist ältere Genossen in den neuen Bundesländern aufgeregt.

Die Parteiführung sei bestrebt gewesen, diesen Krach geheim zu halten, so Koschmieder. Um diese „traditionalistischen“ Gemüter zu beruhigen, wäre eine Stimme für Gauck kaum zu vermitteln gewesen. Um aber gleichzeitig auch die „nachdenklichen“ Wahlmänner zu binden, sei von dem mehr oder weniger apparattreuen „Neuen Deutschland“ das Thema Stasi aufgegriffen worden.

Interessant ist, dass die Streithähne in beiden Blättern einem fatalen   Strickmuster folgen, das den Opfern der SED-Willkür nur allzu gut bekannt ist: Ein zentrales Instrument der Stasi im Kampf gegen Regimekritiker war die sogenannte „Zersetzung“, damit war die gezielte Zerstörung des gesellschaftlichen Ansehens der SED-Gegner gemeint. Erreicht wurde dies mit dem Mittel der Denunziation, dessen sich beide Seiten in diesem bizarren Gerangel nun wieder ausgiebig bedienen.             Theo Maass


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