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17.07.10 / Streik als Nationalsport / Nicht nur die französische WM-Fußballelf, auch Lehrer und Gewerkschaften legen ihre Arbeit nieder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

Streik als Nationalsport
Nicht nur die französische WM-Fußballelf, auch Lehrer und Gewerkschaften legen ihre Arbeit nieder

Knapp zwei Jahre vor der nächsten Präsidentenwahl steckt Nicolas Sarkozy in einem absoluten Stimmungstief. Die Franzosen sind unzufrieden mit seiner bisherigen Regierungsbilanz. Doch Sarkozy könnte das Ruder noch herrumreißen.

Nicht der Fußball, sondern der Streik ist in Frankreich offenbar der Nationalsport. Alle Welt konnte sehen, wie die französische Nationalelf in Südafrika vor einem entscheidenden Spiel beim Training streikte. Nichts anderes lernen französische Kinder bei ihren Lehrern, die fast alle links stehen und häufig zum Streik als Mittel des Protestes greifen. Ob Sport oder Schule: immer wieder Streik. Eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zählte 2000 bis 2008 im Jahresdurchschnitt in Spanien 163 Streiktage, in Griechenland 163, in Frankreich 102 und in Deutschland 5.

Der Fußball-Nationalcoach Raymond Domenech musste vor Kameras eine Protesterklärung der Mannschaft vorlesen. Der Anlass war der Rauswurf des Spielers Nicolas Anelka, eines kahlgeschorenen schwarzen Riesen, der sich weigerte, dem Ball nachzulaufen, woraufhin er eine Kritik des Coachs mit den Worten erwiderte: „Verpiss Dich, Du Hurensohn“. Diese noch relative milde Ausdrucksweise aus den Vorstadtbezirken war für die legendäre „Ausstrahlung“ des Landes der Dichter und Philosophen bestimmt nicht hilfreich, zumal Anelka wie sein Kollege Franck Ribery erst vor kurzem wegen eines Bordellbesuchs Schlagzeilen gemacht hatte. Beide sind bekennende Anhänger des Islams. Kurz nach dem Streik wurde die französische Mannschaft von den „Bafana Bafana“ in Johannesburg geschlagen, wie es ihr die Mehrheit der Franzosen laut Umfragen gewünscht hatte.

Aber die von der Equipe tricolore vorgeführte Erpressungsmethode wird Anfang September landesweit auf der Tagesordnung stehen, da nach dem Sommerurlaub massive Streiks und Demonstrationen, ja sogar Schul- und Hochschulstreiks von den Gewerkschaften und den linken Parteien angekündigt werden. Der Grund der Arbeitsniederlegungen ist die Weigerung, über das 60. Lebensjahr hinaus zu arbeiten. Die Regierung will den Renteneintritt von 60 auf bescheidene 62 Jahre mit vielen Ausnahmen erhöhen, aber die Linke ist nicht bereit, diese „Errungenschaft“ abzugeben. Dabei sind laut Umfragen 58 Prozent der französischen Staatsbürger für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, aber die Generalsekretärin der Sozialistischen Partei (PS), Martine Aubry, die ebenso viele Wählerstimmen wie Nicolas Sarkozy (26 Prozent) sammeln würde, wenn jetzt gewählt würde, hat die Entscheidung von Mitterrand aus dem Jahre 1982, das Renteneintrittsalter von 65 auf 60 zu senken, für unantastbar erklärt. Kein Tag vergeht ohne wüste Beschimpfungen der Sozialisten, darunter auch von Ségolène Roya, gegen Sarkozy und seine Minister. Die politische Stimmung ist vergiftet. 

22 Monate vor der nächsten Präsidialwahl ist es um Nicolas Sarkozy schlecht bestellt. Drei Kritikpunkte führen seine Wähler an: Er kündigte ein kräftiges Wirtschaftswachstum an, aber die Wirtschaftslage ist miserabel, das Wachstum beträgt nur maue 1,6 Prozent statt wie vorgesehen 2,5 und die Arbeitslosigkeit liegt bei zehn Prozent. Hinzu kommen ein Außenhandelsdefizit, das bereits im Mai 5,5 Milliarden Euro betrug, und ein Loch von 26,8 Milliarden in der Sozialkasse bei einer staatlichen Gesamtschuld von fast 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Außerdem wollte Sarkozy die Kriminalität in den Vororten „mit dem Kärcher“ ausmisten, doch nun nimmt die Zahl der Übergriffe auch mit Stichwaffen zu. Auch versprach er, als Präsident für eine „saubere“ Republik zu sorgen, doch nun mehren sich die Korruptionsaffären sogar. Neulich mussten zwei Minister zurücktreten. Der eine hatte sich auf Staatskosten für 12000 Euro Zigarren gekauft. 

Merkwürdig ist es, dass ausgerechnet der für die Rentenreform zuständige Arbeitsminister Eric Woerth in den Skandal um die schwarzen Konten der 87-jährigen Milliardärin und „L’Oréal“-Eigentümerin Liliane Bettencourt involviert wurde. So will das ultralinke Internetportal www.Mediapart.fr erfahren haben, dass das Finanzministerium für eine Spende an Sarkozys Partei über Bettencourts millionenschwere Steuerhinterziehung hinweggesehen habe. Ein Untersuchungsausschuss des Finanzministeriums mit einem sozialistischen Beamten an der Spitze konnte jedoch nachweisen, dass Woerth, damals Haushaltsminister, Kapitalflucht von L’Oréal in die Schweiz nicht begünstigt hatte, obwohl seine Frau Florence damals Bettencourts Vermögensverwalterin gewesen war.

All diese Punkte bewirken, dass Sarkozys Stern sinkt. Laut Umfragen wollen 97 Prozent der ehemaligen Sarkozy-Wähler eine Kartei gegen Sozialhilfebetrüger (hauptsächlich Migranten) einrichten lassen; 83 Prozent wollen dasselbe Rentenalter für alle, ohne Berufsprivilegien; 76 Prozent wollen, dass Minarette verboten werden und 72 Prozent, dass die Unterstützervereine für illegale Einwanderer verboten werden. Dominique de Villepin, Sarkozys Gegner in den eigenen Reihen, hat eine konservativ-liberale Anti-Sarkozy-Partei gegründet, aber vor allem Marine Le Pen, die Gallionsfigur der ultrarechten Nationalen Front, könnte bald mit 20 Prozent Zustimmung trumpfen. 2007 hatte Sarkozy gewonnen, weil er dem Le-Pen-Clan die Wählerstimmen abgenommen hatte. Er kann sich nur retten, wenn er das Steuer nach rechts herumreißt. Jean-Paul Picaper


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