20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.07.10 / Das Athener Gespenst / Auch Italien zu Sparkurs gezwungen − Kommunen rebellieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

Das Athener Gespenst
Auch Italien zu Sparkurs gezwungen − Kommunen rebellieren

Lange Zeit hatte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi versichert, sein Land bewältige die Krise auch ohne Einsparungen. Doch angesichts einer Gesamtschuldenlast von 115 Prozent der Wirtschaftsleistung – der höchsten in der Eurozone nach Griechenland – zieht er nun mit anderen europäischen Regierungschefs gleich. Bis 2012 sollen die Ausgaben um rund 24 Milliarden Euro sinken, um das Haushaltsdefizit von 5,3 Prozent unter die Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu reduzieren. Vor allem der öffentliche Dienst bekommt den Rotstift zu spüren. In den nächsten drei Jahren erhalten die Beamten keine Gehaltserhöhung. Die Bezüge hoher Staatsbediensteter und der Minister sollen sogar um bis zu zehn Prozent gekürzt werden. Zudem ist ein massiver Stellenabbau geplant. Laut Medienangaben wird nur noch jeder fünfte freiwerdende Posten neu besetzt. Auch das Gesundheitssystem, das Bildungswesen sowie die Kommunal- und Regionalregierungen sind von der Haushaltssperre betroffen. Für den Fall, dass der Senat dem Sparplan nicht zustimmen sollte, drohte Berlusconi sogar mit Rücktritt.

Während der Präsident des Europäischen Rates Herman van Rompuy die italienischen Anstrengungen zum Schuldenabbau lobte, regte sich in Italien selbst in Berlusconis Reihen Kritik. Der Parteifreund und Regionalpräsident der Lombardei Roberto Formigoni kommentierte: „Wegen der Einsparungen wird die Region Lombardei, die industriereichste in Italien, drei Milliarden Euro in zwei Jahren einsparen müssen. Dies bedeutet, dass wir unsere Ausgaben um 30 Prozent kürzen müssen. Das ist unannehmbar, weil alle regionalen Sozialleistungen gefährdet sind.“ Die Opposition klagt den Ministerpräsidenten wegen der Vorspiegelung falscher Tatsachen an. „Nachdem Berlusconi monatelang versichert hatte, dass Italien keine Situation wie in Griechenland drohen würde, erfahren wir plötzlich, dass die Lage ganz anders aussieht“, empörten sich Abgeordnete der Demokratischen Partei. Nach dem Generalstreik des landesweit stärksten Gewerkschaftsbundes CGIL Ende Juni planen mehrere Regionen Protestaktionen.

Eine originelle Idee hatten Ende Mai die Bürgermeister aus den Regionen Toskana, Umbrien, Latiums und Abruzzen. Die Passanten staunten, als sich rund hundert Amtsträger an einem Vormittag mitten auf die Piazza della Signoria in Florenz legten. Geschmückt mit ihrer grün-weiß-roten Schärpe verweilten die Ortschefs für einige Minuten auf dem berühmten Platz im Stadtzentrum. Zu dem sogenannten Flashmob hatte Alessandro Cosimi, Vorsitzender der regionalen Interessenvertretung der italienischen Bürgermeister ANCI, aufgerufen. Die aus den USA stammende Aktionsform steht für einen blitzartigen Menschenauflauf in der Öffentlichkeit, der meist über das Internet organisiert wird.

Die Kommunalvertreter ließen sich symbolisch zu Boden fallen, um gegen den rigiden Sparkurs der Regierung zu demonstrieren. „Die Gemeinden waren in den letzten Jahren die einzigen, die Ausgaben reduziert haben“, sagte Cosimi. „Wir sind jetzt jedoch an einem Punkt angelangt, an dem wir Dienstleistungen, die die Bürger direkt betreffen, nicht mehr garantieren können.“ Der stellvertretende Bürgermeister von Florenz Dario Nardella pflichtete ihm bei: „Wir brauchen mehr Flexibilität und mehr Unterstützung bei den kommunalen Budgets, sonst können wir unsere Aufgaben nicht mehr erfüllen.“             Sophia E. Gerber


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren