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17.07.10 / Gute Lage, verhaltener Ausblick / Die neuesten Konjunkturprognosen zeigen ein widersprüchliches Bild – In Deutschland verhalten aufwärts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

Gute Lage, verhaltener Ausblick
Die neuesten Konjunkturprognosen zeigen ein widersprüchliches Bild – In Deutschland verhalten aufwärts

Nicht nur in der Politik, auch in der Wirtschaft sind momentan kaum klare Linien erkennbar. Die Nachrichten der zurückliegenden Tage bieten ein zutiefst widersprüchliches Bild über die weitere Entwicklung wirtschaftlicher Supermächte wie China und USA. In Deutschland dürfte es moderat weiter aufwärts gehen.

Noch keine vier Wochen ist es her, da haben Unkenrufe über drohende neue Staatspleiten und verfallende Preise am US-Immobilienmarkt die Börsen einbrechen lassen. Es folgten ein ergebnisloser G20-Gipfel und Meldungen über unverändert schwache Großbanken. Letztere Warnungen wurden im Grunde verstärkt durch die Nachricht, der Internationale Währungsfonds (IWF) arbeite intensiv an einem „globalen Sicherheitsnetz“: Ist ja schön, dachten sich viele Anleger, dass die Blutbank ihre Bestände aufstockt – aber steht dahinter nicht die Sorge vor Gemetzeln?

Als dann in den ersten Julitagen nacheinander schlechte Konjunkturdaten aus den USA und China zu einem Einbruch der Rohstoffpreise führten und am Ende der Rohölgigant BP, noch vor wenigen Jahren eines der wertvollsten Unternehmen der Welt, wegen der Katastrophe im Golf von Mexiko zu wanken schien, dachten nicht nur interessierte Zeitungsleser, die Weltkonjunktur könnte erneut abschmieren. Die Sorge vor dem „Double dip“ – einem W-förmigen Konjunkturverlauf mit zwei Tiefpunkten rasch hintereinander – war in aller Munde. Der deutsche Börsenindex Dax hatte in nur 14 Tagen fast acht Prozent seines Wertes verloren. Andere Finanzmärkte, insbesondere in Fernost, brachen in dieser kurzen Zeit noch stärker ein.

Allerdings geht es schon seit gut zehn Tagen weltweit an den Börsen wieder aufwärts. Man könnte das für das normale Auf und Ab an den Finanzmärkten halten, wenn es nicht begleitet wäre von zutiefst widersprüchlichen und dabei sehr grundsätzlichen Aussagen und Prognosen über die Wirtschaftslage in den großen Ländern der Welt.

So überraschte der Internationale Währungsfonds am 8. Juli damit, dass er seine globale Wachstumsprognose für 2010 von 4,2 auf 4,6 Prozent heraufsetzte, womit er – wie es heißt – auf das stärker als erwartet ausgefallene Wachstum im ersten Halbjahr reagierte. Kanada und (ausgerechnet!) die USA seien die beiden Länder, die weltweit am besten aus der schwersten Krise seit 1945 herausgekommen seien, gefolgt von den Ländern des Euro-Raumes. Doch diese Einschätzung beißt sich mit den vom IWF selbst verbreiteten Zahlen. So rechnen die New Yorker Experten in diesem Jahr in den USA mit 3,3, in Russland hingegen mit 4,3 Prozent Wachstum. Da Russland wegen der kollabierten Rohstoffpreise von der Krise des Jahres 2009 auch noch stärker betroffen war als die USA, müsste in der Logik des IWF eigentlich Russland als das Land gelten, das die Krise am besten gemeistert hat.  Auch lobte der IWF die „starken Erholungstendenzen“ in China, Indien und Brasilien. Doch das Wort „Erholung“ ist eher eine Untertreibung, wenn man es an der IWF-eigenen Prognose für 2010 misst. Demnach soll die brasilianische Wirtschaft um 7,1 Prozent, die indische um 9,4, und die chinesische sogar um satte 10,4 Prozent wachsen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass ein Teil dieser astronomischen Zuwachsraten vielleicht durch statistische Unzulänglichkeiten zu erklären ist und ein anderer Teil des Zuwachses von der in diesen Ländern wachsenden Bevölkerung aufgezehrt wird, ohne dass der durchschnittliche Wohlstand steigt, so liest sich der IWF-Bericht dennoch verblüffend USA-freundlich.

Dass an der IWF-Prognose etwas nicht stimmen könnte, deutet der Vergleich mit anderen Vorhersagen an. So erwartet die Weltbank in ihrem neuesten Bericht vom Juni ein globales Wachstum von nur 3,1 Prozent − volle 1,3 Prozentpunkte weniger als der IWF.

Als hochsensibler Frühindikator für den Welthandel und damit die Weltkonjunktur gilt der „Baltic Dry Index“, der seit 1985 in London ermittelt wird. Es handelt sich um einen Preisindex für die weltweite Verschiffung der wichtigsten Frachtgüter (vor allem Kohle, Eisenerz und Getreide) auf Standardrouten des Welthandels.

Da der Welthandel und die Rohstoffpreise deutlich stärker schwanken als die Wirtschaftsleistung insgesamt, hat dieser Index die Tendenz zur nervösen Überreaktion. Und doch hat er in den 25 Jahren seines Bestehens viele Krisen zuverlässig und vor allem früh vorhergesagt. Dieser Baltic Dry Index erreichte im Dezember 2008 mit 663 Punkten ein historisches Tief. Seitdem ist er bis Ende Mai 2010 auf 4209 Punkte explodiert, um danach in nur gut sieben Wochen um 57,5 Prozent auf 1790 Punkte abzustürzen. Zwar lassen sich Sonderfaktoren für diesen Einbruch benennen, doch klar ist, dass die Weltkonjunktur noch nicht wirklich stabil ist.

Zurück nach Deutschland. Hier rechnet kaum ein Experte mit einem echten Konjunktureinbruch, zumal der deutsche Export ungemein robust wächst und angesichts des niedrigen Euro besonders gute Margen abwirft. Allerdings wachsen die Bäume offenbar nicht in den Himmel. Das angesehene ZEW-Institut unter Leitung von Wolfgang Franz spricht in seinem neuesten Bericht von einer „deutlichen Verbesserung der Lage bei gleichzeitigem Rückgang der Erwartungen“. Das signalisiere, „dass das Aufwärtspotenzial der deutschen Wirtschaft bis zum Jahresende weitgehend ausgeschöpft zu sein scheint“. Die Experten erwarteten deswegen „gegen Jahresende auf Grund nach wie vor bestehender Unsicherheiten über die Bewältigung der Finanzmarkt- und Schuldenkrise eine Abschwächung der Konjunkturdynamik“, resümiert ZEW-Präsident Wolfgang Franz nüchtern. Konrad Badenheuer


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