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17.07.10 / Fatale Selektion

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

Fatale Selektion
von Konrad Badenheuer

Es war der Bundesgerichtshof selbst, der klargestellt hat, wie dünn das Eis ist, auf das er sich mit seinem Urteil in Sachen Präimplantationsdiagnostik (PID) begeben hat. Die Formulierung des Gerichts, das Urteil solle nicht einer „unbeschränkten Selektion“ den Weg ebnen, lässt schaudern. Immerhin waren die Richter ehrlich genug, nicht um den Kern der Sache herumzureden: Der freigesprochene Berliner Mediziner hat Menschen selektiert: „Gute“ menschliche Embryonen wurden zwecks Schwangerschaft Müttern in die Gebärmutter implantiert, „schlechte“ ließ der Arzt sterben.

Wer nur die wenigen Einzelfälle in den Blick nimmt, über die der BGH nun geurteilt hat, könnte den Freispruch nachvollziehen: Es ging um Paare mit verständlichem Kinderwunsch, aber erbgesundheitlicher Belastung. Viele fragen da, ob es nicht zulässig sein kann, so lange menschliche Eizellen zu befruchten, bis der gewünschte gesunde Embryo entstanden ist. Doch schon die Frage, was anschließend mit denjenigen Embryonen geschehen soll, die im Urteil des Menschen – oder soll man sagen: anderer Menschen? – nicht „gut genug“ sind, um weiterleben zu dürfen, lässt ahnen, dass hier die Tür zu einem Gruselkabinett aufgestoßen wird. Wenn wir diese Schwelle überschreiten, wenn der Mensch sich – und sei es aus im Einzelfall verständlichen Motiven – zum Herren über die Schöpfung aufschwingt, dann droht ein Dammbruch mit unabsehbaren Folgen.

Der BGH hat selbst davor gewarnt, indem er eben erklärte, er habe keine „unbeschränkte Selektion“ ermöglichen wollen. Doch wo soll die Grenze gezogen werden? Soll der Gesetzgeber eine Liste von vererblichen Krankheiten  erstellen, die „schlimm genug“ sind, um sie mit dem Mittel der vorgeburtlichen Selektion abwenden zu dürfen? Für ein solches Tun wäre kein Ende absehbar, wenn man bedenkt, dass auch so massenhaft verbreitete Leiden wie Herz-Kreislauf-Krankheiten und Diabetes zu nicht geringen Teilen vererbt werden. Wenn die PID zugelassen wird, darüber muss man sich klar sein, ist der Weg zur massenhaften Anfertigung von Designerbabys kaum mehr aufzuhalten. Einige Nachbarländer sind bereits mitten auf diesem Weg, was übrigens in dem Berliner Prozess als Argument eine Rolle gespielt hat: Hätten meine Patienten ins Ausland reisen sollen?, fragte der Arzt sinngemäß. Genau so wurde aber Anfang der siebziger Jahre auch argumentiert, bevor der § 218 in einer Weise geändert wurde, die seither zu rund acht Millionen Abtreibungen und einer demographischen Krise der deutschen Nation geführt hat.

Hier gibt es einen hoffungsvollen Unterschied: Beim Streit um den Embryonenschutz verlaufen die politischen Frontlinien ganz anders. Das heutige, strenge Gesetz, mit dem übrigens das Berliner Urteil kaum vereinbar zu sein scheint, wurde maßgeblich von Sozialdemokraten und Grünen mitgeprägt. Das lässt für die Zukunft hoffen.


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