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17.07.10 / Wieder Länder statt Bezirke / Mit der Wiedervereinigung wurde auch die zentralistische DDR-Gebietsreform von 1952 revidiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

Wieder Länder statt Bezirke
Mit der Wiedervereinigung wurde auch die zentralistische DDR-Gebietsreform von 1952 revidiert

Vor 20 Jahren hat die Volkskammer in der gerade noch real existierenden DDR ein Gesetz erlassen, dessen Inhalt spannender ist als sein Titel: das Verfassungsgesetz zur Bildung von Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik – Ländereinführungsgesetz vom 22. Juli 1990. Es sah, mit Wirkung vom 14. Oktober 1990, auf deren Territorium die Schaffung der fünf Bundesländer vor, die wir heute als „neue“ oder „junge“ Länder kennen: Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Ost-Berlin sollte gleichfalls Landesbefugnisse erhalten, die in diesem Falle „von der Stadtverordnetenversammlung und vom Magistrat wahrgenommen werden“ sollten.

Die Geschichte ging jedoch über die Terminplanung hinweg. Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 sah den Beitritt Mitteldeutschlands schon zum 3. Oktober des Jahres vor und die Bundesregierung war dagegen, dass der föderalistischen Bundesrepublik die zentralistische DDR mit ihren 108000 Quadratkilometern beitrete. Deshalb wurde die Umformung in Länder auf die „staatsrechtliche Sekunde“ vorverlegt, in der am 3. Oktober 1990 die Wiedervereinigung geschah. Bezüglich Berlins hieß es bereits im ersten Artikel in Absatz 2: „Die 23 Bezirke von Berlin bilden das Land Berlin“, womit der bisherige Sonderstatus der deutschen Hauptstadt beseitigt wurde.

Die Schaffung der fünf „neuen“ Bundesländer war nichts anderes als die Wiederherstellung des Zustandes, in dem die DDR 1949 ins Leben getreten war, denn damals hatten die Länder noch bestanden. Das „Ländereinführungsgesetz“ hätte eigentlich „Länderwiederherstellungsgesetz“ heißen müssen, denn Artikel 1 Absatz 1 der DDR-Verfassung vom 7. Oktober 1949 hatte bestimmt: „Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik; sie baut sich auf den deutschen Ländern auf.“ Wie denn überhaupt die erste DDR-Verfassung nicht nur hinsichtlich des Föderalismus große Ähnlichkeit mit der Weimarer aufwies, um den eigenen gesamtdeutschen und demokratischen Anspruch zu untermauern.

Aber während die westdeutschen Bundesländer echte Staatsqualität besaßen, waren die mitteldeutschen Länder eher dem Zentralstaat untergeordnete Verwaltungseinheiten. Nur die Volkskammer der Gesamtrepublik hatte ein Recht zur Gesetzgebung.

Trotzdem war die SED-Diktatur besorgt, dass die DDR-Länder regionalen Eigenwillen entfalten könnten. Länder waren in ihren Augen „Bastionen bürgerlichen Denkens“. 1952 schlug die SED zu. Anfang Juli hatte die 2. Parteikonferenz plakativ den Aufbau des Sozialismus beschlossen. Zu dessen Durchsetzung musste ein „demokratischer Zentralismus“ her. Hinter diesem Begriff verbarg sich der Wille zur Auflösung der Länder. Am 23. Juli erging das „Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik“. Die Länder erhielten die Weisung, ihre Kreise neu zu gliedern und mehrere Kreise in Bezirke zusammenzufassen. Dann sollten die Länder ihre Aufgaben auf die neuen Bezirke übertragen. Aber die Verfassung sah weiterhin eine „Länderkammer“ vor, die von den Landtagen zu beschicken war. Ihre Kompetenzen waren indessen gleich null und im Dezember 1958 machte eine Verfassungsänderung dieser Länderkammer dann den Garaus.

Die Grenzen zwischen den 14 neuen Bezirken wurde statt nach historischen nach ökonomischen und politischen Gesichtspunkten gezogen. Der Bezirk Cottbus umfasste die Kohleindustrie, Frankfurt an der Oder den Stahl, Halle die Chemie, Schwerin und Neubrandenburg die Landwirtschaft. Der Bezirk Potsdam sollte die gesamte Grenzsicherung gegenüber West-Berlin erfassen. Der ehemals brandenburgische Landkreis Westprignitz wurde zum Bezirk Schwerin geschlagen anstatt zu Potsdam, damit Potsdam nicht auch noch mit der Überwachung der „Staatsgrenze West“ belastet war. Historische Fürstenresidenzen durften nicht Bezirkshauptstadt sein. Deswegen trat Suhl an die Stelle von Meiningen, Neubrandenburg an die von Neustrelitz. Es gab „Bezirkstage“, doch deren Recht zum Einbringen eigener Anträge blieb auf dem Papier.

Ganz bewusst sollten die Bezirksgrenzen die alten Landesgrenzen missachten. Nur in grober Näherung entsprachen die Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg dem alt-neuen Land Mecklenburg-Vorpommern; Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus in etwa Brandenburg; Magdeburg und Halle ungefähr Sachsen-Anhalt; Erfurt, Gera und Suhl ganz grob dem Freistaat Thüringen sowie Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt (ab 1990 wieder Chemnitz) in etwa dem Freistaat Sachsen. Das sächsische Vogtland wollte zu Bayern – vergeblich. Dagegen schaffte die Gemeinde „Amt Heuhaus“ östlich der Elbe am 30. Juni 1993 den Wechsel von Mecklenburg nach Niedersachsen. Auch der Wille Torgaus wurde respektiert: Nach einer Volksbefragung wurde es wieder Sachsen zugeschlagen, das die ehemalige Wettiner-Residenz mit anderen Teilen seines Territoriums als Strafe für das lange Festhalten am Bündnis mit Kaiser Napoleon auf dem Wiener Kongress von 1814/15 an Preußen verloren hatte.          Bernd Rill


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