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24.07.10 / Kiffen für die Staatskasse / Kaliforniens Bürger sollen im Volksentscheid über die Freigabe von Marihuana entscheiden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Kiffen für die Staatskasse
Kaliforniens Bürger sollen im Volksentscheid über die Freigabe von Marihuana entscheiden

Schon jetzt ist der Verkauf von Marihuana in sogenannten Gesundheitszentren legal, doch Staat, Gewerkschaften und Bürger hoffen auf das große Geschäft mit dem begehrten „Gras“.

Wenn alles gutgeht, so hoffen die Befürworter der „Proposition 19“, wird Kalifornien mit der November-Wahl der erste US-Staat, in dem Marihuana komplett legalisiert ist, gleichgesetzt gewissermaßen mit Alkohol. Das heißt, dass jeder ab 21 Jahren Marihuana kaufen, besitzen, rauchen und sogar für den Eigennutz anpflanzen kann, ohne wie bisher mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Und dies auch ohne medizinische Gründe. Seit die Gesetzesvorlage Anfang Mai offiziell für die Entscheidung der Bürger am 14. November durchgebracht wurde, ist sie zum heißen Thema geworden, bei dem die gesundheitlichen und gesellschaftlichen  Risiken und Bedenken weit hinter die wirtschaftlichen Interessen zurückgestellt wurden. Laut Umfragen haben anfangs nicht weniger als 49 Prozent der Wähler die Freigabe befürwortet, allerdings wurden es zuletzt wieder weniger.

Los Angeles und Umgebung waren schon immer eine Region mit besonders unkonventionell gesinnten Bürgern. Und als 2008 in den USA der Verkauf von Marihuana aus medizinischen Gründen bedingt freigegeben wurde und den einzelnen Staaten und Gemeinden die gesetzliche Handhabung überlassen wurde, schossen sogenannte Pot-Kliniken wie Pilze aus dem Boden. Mit 186 dieser Institutionen vereinbarte die Stadt Los Angeles Verträge, schloss aber gewissermaßen die Augen vor weiteren Neu-Gründungen. Doch nun ist der Gesetzgeber im Juni plötzlich erwacht, und ließ ausgerechnet kurz vor der Wähler-Entscheidung die Schließung von rund 400 nicht gemeldeten Marihuana-Geschäften und sogenannten Marihuana-Kliniken anordnen. Darunter befanden sich auch einige der beliebtesten im Strandbezirk von Los Angeles, dem berühmten Venice Walk. „Hier am Ozean können die Menschen entspannen und sich heilen lassen“, sagt Cardillo in seinem eleganten Etablissement. „Hier können sie Kraft tanken und die Energie finden, mit ihren Krankheiten und ihrem Leben fertig zu werden.“ Jetzt soll er den Beach-Club in ein entferntes Gebiet verlegen, da er zu nahe an einem Wohnhaus und möglichem Kinderspielplatz steht (was der Stadt jetzt erst einfiel!). Sein Chef fügt hinzu: „Die Stadt sollte nicht die eingesessenen Kliniken schließen, sondern sich um die vielen neuen kümmern. An jeder Straßenecke ein Pot-Store. Das ist auch nicht richtig.“ Es gibt Klagen von allen Betroffenen und die Hoffnung auf die „Proposition 19“, die das ganze Haschisch-Geschäft neu regeln soll. Das ist jedoch nicht einfach, denn unterschiedlichste Gesichtspunkte bewegen die Menschen.

Der Bedarf an Marihuana ist nicht gering. Ein Drittel aller befragten (und keineswegs nur kranken) Wähler hat irgendwann Marihuana geraucht, ein Zehntel im letzten Jahr. Und den größten Bedarf hat sozusagen der kalifonische Staat selber. Denn mit einer Legalisierung des süßen Duftes würde das gesamte Pot-Geschäft neu geregelt und besteuert werden und dem hochverschuldeten Sonnen-Staat, wie Optimisten meinen, über eine Milliarde Dollar Steuereinnahmen zuführen. Dies dürfte jedoch fraglich sein, denn mit einer kompletten Freigabe erwarten Fachleute vom „Rand Corp’s Drug Research Center“, die die bisher umfassendste Studie der Initiative zusammengestellt haben, einen Preisverfall von 80 Prozent, von derzeit 300 bis 450 US-Dollar pro Unze auf 38 Dollar. Dies würde wiederum zu niedrigeren Löhnen der in der Pot-Industrie Beschäftigten führen, von 30 Dollar pro Stunde auf vielleicht noch zehn. 100 von drei Marihuana-Verteiler-Stellen in Oakland bei San Francisco haben sich soeben einer Gewerkschaft angeschlossen: Der „United Food and Commercial Workers Union“, die nun ihre Mitglieder zur Unterstützung der „Proposition 19“ auffordern will, „weil das Potenzial für neue Jobs in der expandierenden Pot-Industrie enorm ist!“ Das klingt so, als würde in Zukunft jeder seinen Joint rauchen, wie er heute sein Gläschen Wein trinkt. Die Wahrheit ist: Keiner weiß, was mit einer Freigabe des attraktiven Grases passieren würde: Eine neue Branche mit neuen Jobs und rettenden Steuereinnahmen zum Beispiel – welch Ironie – für die Renovierung von Schulen? Marihuana weg von der Illegalität auf der Straße und damit ein Ende der geheimen Rieseneinfuhren aus Mexiko? Ein Segen für schwer Erkrankte? Und ein Genuss ohne Angst vor Strafe für den Normalbürger? Oder: Mehr Kriminalität mit noch volleren Gefängnissen, rapide anwachsende Drogen-Abhängigkeit, besonders unter Jugendlichen, sowie ein massiver Einstieg in härtere Drogen? Und eine am Ende völlig bekiffte Gesellschaft mit Menschen, die vor den Problemen des Alltags in die Illusion fliehen, anstatt sie tatkräftig zu lösen.    Liselotte Millauer

 

Marihuana in Europa

Auch in Deutschland fordern Politiker vor allem von der Partei „Die Linke“ und den Grünen immer wieder die Freigabe von Marihuana. Während „Die Linke“ die so steigenden Steuereinnahmen preist und vor allem die Entkriminalisierung der Konsumenten positiv hervorhebt, lautet sowie die Maxime des grünen Bundestagsabgeordneten Harald Terpe: „Drogenpolitik ist für die Menschen da und nicht für das Steuersäckel.“ In den Niederlanden, wo seit den 70er Jahren in lizensierten 730 Coffee-Shops der Konsum von Marihuana in kleinen Mengen toleriert wird, wurde vor wenigen Wochen von einer Initiative sonst seriöser Politiker die Legalisierung von Kokain, Ecstasy und Heroin gefordert. Polizeieinsätze gegen Drogenhersteller, Schmuggler und Dealer, Gefängnisstrafen, Geldwäsche, Steuerausfälle sowie viele, teils indirekte Folgen des Drogenverbots kosteten die Gesellschaft 15,75 Milliarden Euro, so ihre Argumente. Die Warnungen von Medizinern vor einer steigenden Zahl von Süchtigen, die unter Entzugserscheinungen und psychischen Störungen leiden, halten die Regierenden aber derzeit noch von der Freigabe ab.            Bel


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