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24.07.10 / Droht Systemkrise? / Energie, Armee, Rente − Russland steht vor großen Problemen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Droht Systemkrise?
Energie, Armee, Rente − Russland steht vor großen Problemen

Ab 2012 wird Russlands Präsident sechs Jahre amtieren, womit das in russischen Medien debattierte „Problem 2012“ beginnt: Falls Amtsinhaber Dmijtri Medwedew dann wiedergewählt wird oder in seinem Vorgänger Wladimir Putin seinen Nachfolger findet – bis zum Jahre 2018 ist die personelle Lage an der Spitze der russischen Exekutive geklärt. Ungeklärt erscheint eine Fülle von Problemen, unter denen die Energiepolitik, die militärische Personalpolitik und die gesamte Rentenpolitik dem Offenbarungseid entgegenrasen.

Vor wenigen Jahren galt Russland als „energetische Großmacht“, die 2009 mit einer Jahresförderung von 494 Millionen Tonnen größter Erdölproduzent der Welt war. Das klang beeindruckend, war aber ein Trugschluss. Russland stieg so hoch, weil seine Konkurrenten angesichts sinkender Ölpreise ihre Förderung drosselten. Russland förderte mehr, verdiente aber weniger. Auch machte die Privatisierung, die in den Jahren 1997 bis 2005 die Jahresförderung von 300 auf 485 Millionen hochgetrieben hatte, einem restituierten Staatseinfluss Platz, der die Förderung stagnieren ließ.

Noch bedrohlicher ist die Lage beim Erdgas. Hier sind die USA mit einer Förderung von 624 Milliarden Kubikmetern international seit sieben Jahren erstmals wieder führend und haben Russland (582 Milliarden) auf den zweiten Platz verwiesen. Noch 2009 hegte Russland die Hoffnung, über den Energiekonzern „Gasprom“ 20 Prozent des US-Markts erobern zu können, aber inzwischen haben die USA ihre Gasimporte aus Russland praktisch eingestellt und schicken sich an, größter Gas-Exporteur der Welt zu werden. Zudem hat der hohe Gaspreis in den USA und in Europa Gasvorkommen rentabel gemacht, die früher uninteressant erschienen. Sollten sich allein die in der EU projektieren Gasfelder als lohnend erweisen, käme Russland um zwei Drittel seiner Gasexporte.

Das zweite Problem ist die Armee, die materiell und personell am Ende ist. Ihre Bewaffnung ähnelt einem wehrtechnischen Museum aus Sowjetzeiten, ihr Prestige geht gegen Null, die nach wie vor sakrosankte Wehrpflicht steht dringend nötigen Reformen im Weg. Will man den 2009 eingeführten zwölfmonatigen Wehrdienst realisieren, müssten jährlich 700000 junge Männer eingezogen werden – in einem Land, in dem es überhaupt nur 800000 18-Jährige gibt. Eine reine Berufsarmee aufzustellen, wie es die USA 1973 taten, verbietet sich wegen der unbezahlbaren Gehälter für Berufssoldaten.

Als drittes Problem droht eine Rentenkrise größten Ausmaßes: 30 Milliarden Euro beträgt 2010 das Defizit des russischen Pensionsfonds, und allein der Schuldendienst für dieses Defizit verschlingt enorme Summen, die dann bei der Rentenzahlung fehlen. Russland muss kürzen und sparen, da es selber in schwerer Wirtschaftskrise steckt und für Rentner keine zusätzliche Kopeke aufwenden kann. Und die Lage wird schlimmer: Ein halbwegs funktionierendes Rentensystem müsste auf einem Verhältnis Berufstätige/Rentner von 3:1 basieren, aber im Russland von heute ist das Verhältnis 1,7:1.

Die mutige „Nesavisimaja gaseta“ („Unabhängige Zeitung“) hat die Krisenherde Russlands, die das eigentliche Elend des „Problems 2012“ ausmachen, im Blick und bilanzierte düster. „Der ganze Staat ist in Gefahr. Wenn die politische Elite keine adäquate Antwort findet, wird Russland am Ende des kommenden Jahrzehnts vor einer ernsten Systemkrise stehen“.   Wolf Oschlies


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