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24.07.10 / Er fand den Schädel von Immanuel Kant / Der Maler Johannes Heydeck interessierte sich auch für Anthropologie und Vorgeschichte – Er starb vor 100 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Er fand den Schädel von Immanuel Kant
Der Maler Johannes Heydeck interessierte sich auch für Anthropologie und Vorgeschichte – Er starb vor 100 Jahren

Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit wurde Johannes Heydeck von allen Seiten unterschiedlich beurteilt. Lovis Corinth schrieb über den Maler und Hochschulprofessor in seinen Lebenserinnerungen abfällig: „Ein jüngerer war der Professor Heydeck. Er korrigierte in der Gipsklasse und in der Modellklasse, sonst Malschule genannt. Heydeck war ein naiver Streber... Er hatte die Tochter des Direktors Rosenfelder geheiratet und Kraft dieses Nepotismus hatte er die Würde des Inspektors bekommen, mit welchem Amt eine prachtvolle, schöne Wohnung mit Garten und allem möglichen Zubehör verbunden war. Er lehrte außer den Korrekturen in den beiden Ateliers die Perspektive. Dieses Studium der Perspektive war ein sehr wichtiges Fach, denn die Akademie hatte nebenbei das Recht, die Reife für das Zeichenlehrerfach auszugeben...“ Der Kunsthistoriker Anton Ulbrich hingegen nennt Johannes Heydeck in seiner „Kunstgeschichte Ostpreußens“ (1932) eine der „vielseitigsten Naturen“ in der damaligen Königsberger Kunstszene. Heute allerdings ist der Name des vor 175 Jahren geborenen Künstlers längst vergessen.

Das Licht der Welt erblickte Heydeck am 2. Juli 1835 als Sohn des Lehrers Christian Wilhelm Heydeck in Sakuten bei Prökuls im Memelland. Bei Karl Ludwig Rosenfelder studierte er an der Königsberger Kunstakademie. 1866 heiratete er dessen Tochter Emma. Drei Jahre später wurde Heydeck selbst zum Professor ernannt. Der Kunsthistoriker Günther Krüger schildert in seiner Geschichte der Königsberger Kunstakademie diese Zeit anschaulich (Prussia-Schriftenreihe, Nr. 11, 1982): „Der Lehrer für Perspektive und Architektur, Hermann Gemmel, erkrankte gegen Jahresende 1867 so schwer, dass er seinem Dienst nicht mehr nachgehen konnte. Nach seinem Tode beschäftigte sich am

23. April 1868 die Lehrerkonferenz mit der Nachfolge. Für diese lagen Bewerbungen vor von Otto Brausewetter, Johannes Heydeck, Max Seemann und Hugo Knorr. In dem Protokoll steht zu lesen, dass eine 25-jährige Erfahrung gezeigt habe, es käme auf praktischen und erfolgreichen Unterricht an; ein ausgebildeter Architekturmaler sei daher nicht erforderlich. Vielmehr sei es für die Akademie wichtig, einen tüchtigen künstlerisch durchgebildeten Historien- und Genremaler als Lehrkraft zu gewinnen, der die Akademie auch als Künstler würdig vertreten könne. So wurde Johannes Heydeck gewählt, der auf diese Weise als Schüler Rosenfelders direkt zum Lehrer aufrückte.“

Als Rosenfelder 1874 seinen Abschied einreichte und somit die Position eines Direktors der Königsberger Kunstakademie frei wurde, geriet auch Heydeck in den Machtkampf um diesen Posten. – Nach einer Periode des Stillstandes, wie Eduard Anderson die Zeit zwischen 1874 und 1880 unter dem stellvertretenden Direktor Max Schmidt bezeichnete, wurde dann Karl Steffeck zum Direktor der Akademie berufen.

Als Künstler widmete sich Heydeck vor allem religiösen und geschichtlichen Themen. So fand sich eine Arbeit „Homer und David“ in der Aula der Königsberger Universität, sein bekanntes Werk „Königin Luise auf der Flucht von Königsberg nach Memel im Januar 1807“ im Kreishaus Fischhausen und Bilder aus der Odyssee, die er gemeinsam mit Max Schmidt und Emil Neide (einem der ersten Lehrer von Käthe Kollwitz) geschaffen hat, im Gymnasium Insterburg. Darüber hinaus schuf er Altarbilder für die Sackheimer und die Haberberger Kirche in Königsberg. Von ihm geschaffene Porträts, darunter eines von Immanuel Kant, waren im Stadtgeschichtlichen Museum zu sehen. Johannes Heydeck war Mitglied der Berliner Akademie der Künste und interessierte sich neben der Malerei sehr für den Erhalt ostpreußischer Kunstdenkmäler. Auch engagierte er sich in der Altertumsgesellschaft „Prussia“. Durch zahlreiche Ausgrabungen und Fundberichte leistete er der Wissenschaft bedeutende Dienste, so dass die philosophische Fakultät in Königsberg ihm den Dr. phil. h. c. verlieh.

Eine Kreidezeichnung Hey-decks zeigt den Künstler während der Ausgrabung der Gebeine des großen Philosophen Immanuel Kant. Heydeck, in der Grube, reicht dem Kantforscher Emil Arnoldt den Schädel des Weltweisen. Links von ihm, oberhalb der Grube gebückt stehend, Karl Ludwig Rosenfelder. Heinrich Spiero, in Berlin lebender Kunstfreund aus Königsberg, schrieb 1929 in seinen Erinnerungen „Schicksal und Anteil“: „Heydeck, einst der Zeichenlehrer meiner Mutter, war ein guter Bekannter unseres Hauses, ein origineller Mann, der sich im Alter auf den Orgelbau legte. Wir sprachen alle sehr ostpreußisch, dennoch fiel selbst uns seine breite Mundart auf. Hey-decks zweite, mit reicher wissenschaftlicher Ausbeute betriebene Liebhaberei war Anthropologie und Vorgeschichte. Er machte fortwährend glückliche Gräberfunde, und ihm gelang die Auffindung von Kants Schädel in der Gruft hinter dem Dome. Der Augenblick, wie er, hemdsärmelig, halben Leibes in der Erde, mit ehrfürchtiger Behutsamkeit den Schädel zu den Freunden empor reicht, ist in einem der Gesellschaft der Freunde Kants gehörigen Bilde festgehalten worden.“ Johannes Heydeck, der Verkannte und heute Vergessene, starb vor 100 Jahren am 6. August 1910 in Königsberg. Seine Werke werden im Krieg untergegangen sein. Manches wird sich vielleicht noch in russischen Depots befinden.       Silke Osman


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