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24.07.10 / Mythos und Herrschaftsinstrument / In Nürnberg und Berlin ist noch bis Herbst Europas größte Burgenausstellung zu sehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Mythos und Herrschaftsinstrument
In Nürnberg und Berlin ist noch bis Herbst Europas größte Burgenausstellung zu sehen

Burgen, Ritter, Turniere und Belagerungen prägen unser Bild des Mittelalters. Eine Doppelausstellung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg („Mythos Burg“) und im Deutschen Historischen Museum in Berlin („Burg und Herrschaft“), die größte europäische Burgenausstellung überhaupt, zeigt erstmals umfassend die über 1000-jährige Geschichte der Burg zwischen Adelswohnsitz, Herrschaftssymbol und Ausflugsziel.

Jeder kennt sie von klein auf aus Märchen, Sagen und als Spielzeug: die Burg. Und so beginnt die große Burgen-Schau in Nürnberg folgerichtig mit zwei Ritterburgen von Playmobil. Unter dem Titel „Mythos Burg“ verfolgt die Ausstellung mit weit über 600 Exponaten die mitteleuropäische Kulturgeschichte des befestigten Wohnsitzes vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Dramatischer ist der Auftakt der in Berlin gezeigten Schau „Burg und Herrschaft“: Zwei Harnische, von denen einer zu Boden gegangen ist, erwecken den Eindruck eines ritterlichen Zweikampfes. Mehr als 600 Objekte aus dem 5. bis 16. Jahrhundert erzählen vom Burgleben, der militärischen Rolle der Burg und ihrer Bedeutung für die Herrschaftsausübung.

Die Grundaussage der Berliner Schau lautet: „Die Burg ist der Nagel, mit dem die Herrschaft in einer Region befestigt wird.“ Die befestigten Wohnsitze waren bis zum 16. Jahrhundert fast 1000 Jahre lang als Verwaltungsmittelpunkte, Gutshöfe, Wehrbauten und repräsentative Wohnsitze die Zentren politischer und wirtschaftlicher Macht. Ursprünglich war Burgenbau Königsrecht. Doch mit der als Faksimile gezeigten Urkunde „Statutum in favorem principum“ (1231) gestanden Kaiser Friedrich II. und sein Sohn König Heinrich (VII.) offiziell auch den Fürsten das allerdings schon zuvor von ihnen praktizierte Recht zum Burgenbau zu. Ebenso ließen es sich kleinere Herren und die dem niederen Adel angehörenden Ritter nicht nehmen, befestigte Wohnsitze zu errichten.

Ein enormes Waffenarsenal führt uns die Gewaltbereitschaft der alten Rittersleut vor Augen. Dabei sahen sie sich in der Nachfolge des durch eine Holzskulptur aus dem späten 14. Jahrhundert vertretenen Drachentöters Georg als Kämpfer für das Christentum. Wie kein Zweiter verkörperte dieser das Böse besiegende Heilige die ritterlichen Tugenden. Mit dem Ritterschlag verpflichteten sie sich, ihrem Lehnsherren treu zu dienen, für Glauben und Kirche zu kämpfen, Witwen und Waisen, Schwache und Arme zu schützen. Rund um die Krone der Maria von Luxemburg aus der Zeit um 1350 bis 1370 erzählt die Schau von Burgleben, edlem Minnedienst und mannhaften Ritterturnieren, die freilich auch einen handfesten wirtschaftlichen Nutzen hatten: Der Sieger nahm dem Unterlegenen Waffen, Rüstung und Pferd ab und ließ ihn erst nach Zahlung eines Lösegeldes laufen.

Recht drastisch endet die Ausstellung mit dem Niedergang des Rittertums. Umzingelt von vier Feuerbüchsen aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert, die es aber erst auf zwei Schuss pro Stunde brachten, krümmt sich ein Harnisch auf dem Boden. Gemeinhin wird angenommen, dass das Aufkommen schwerer Feuerwaffen auch zum Niedergang der Burgen geführt habe. An ihre Stelle sollen rein militärische, kasernenartige Festungen und unbefestigte Schlösser getreten sein. Die Nürnberger Schau aber stellt richtig, dass alle vor dem Dreißigjährigen Krieg errichteten Festungen einen fürstlichen Wohnbau im Zentrum hatten. Ebenso wissenswert ist, dass sich noch im Hochmittelalter Burgen und Städte sehr viel ähnlicher als in späterer Zeit waren. „Nicht von ungefähr werden die Städter ,Bürger‘ genannt, obwohl sie keine Burg in unserem heutigen Sinne bewohnten“, wie der Nürnberger Museumsdirektor G. Ulrich Großmann ausführt. Und im Althochdeutschen bedeutete das Wort „burg“ noch „Stadt“, was zahllose Städtenamen mit der Endung „-burg“ noch reflektieren.

Stehen in der Berliner Schau die realen historischen Gegebenheiten im Blickpunkt, vermittelt uns die Nürnberger Ausstellung einen Einblick in die mythischen Dimensionen von Burgen und Rittertum. Die Mythisierung setzt nicht etwa erst mit der Burgenromantik des 19. Jahrhunderts ein, sondern bereits im Mittelalter. Vom Schönen Brunnen auf dem Nürnberger Hauptmarkt stammt das ausgestellte „Haupt des Königs Artus“, eine Arbeit aus Sandstein aus der Zeit zwischen 1385 und 1392. Der keltisch-britische Sagenkönig wird seit der Literatur des Hochmittelalters zur Idealgestalt ritterlicher Tugenden verklärt.

Neben den bis heute in vielen Neubearbeitungen gern gelesenen Sagen um König Artus und die Ritter seiner Tafelrunde sind es die Burgen selbst, die unsere Fantasie beflügeln. Im 19. Jahrhundert trug insbesondere das preußische Königshaus zur Burgenbegeisterung bei. Ein Aquarell von Carl Ludwig Frommel zeigt uns „Burg Rheinstein bei Gewitter“ (1829-1832). Ihr Wiederaufbau 1823 bis 1829 war der erste einer Burgruine im Rheinland. Elisabeth Crettaz-Stürzel schreibt im Katalog: „Abgesehen von ihrer Bedeutung als politisches Symbol für Preußen, schuf sich der Bauherr Prinz Friedrich von Preußen mit dieser imposant über dem Strom liegenden Burg eine romantische Kulisse für seine imaginierte ritterliche Welt.“

Mehr noch trug König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen als kenntnisreicher Förderer der Architektur und bildenden Kunst zur bis heute anhaltenden Burgenbegeisterung bei. Ein Korkmodell stellt uns Burg Stolzenfels vor, deren Ruine er 1823 von der Stadt Koblenz geschenkt bekommen hatte. Von 1836 bis 1845 ließ er sie nach dem Vorbild englischer neugotischer Schlossarchitektur herrichten. Auch Burg Hohenzollern, den Stammsitz seines Geschlechtes bei Hechingen in Württemberg, ließ Friedrich Wilhelm IV. 1850 bis 1867 im neogotischen Stil wiedererrichten. Dieter Nievergelt berichtet im Katalog: „Bald übernahm das Bauwerk die Rolle als ,Burg des Deutschen Reiches‘, zu der sie 1871 mit der Krönung Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser auch faktisch wurde.“ Besonders das Bergschloss Hohenzollern hat entscheidend unsere Idealvorstellung vom Aussehen einer Burg mitgeprägt. Das belegt zum Beispiel ein Modellbaubogen, der von der Erstauflage 1892 bis heute ein Verkaufserfolg ist.  Veit-Mario Thiede

„Burg und Herrschaft“ ist bis zum 24. Oktober 2010 im Deutschen Historischen Museum, Unter den Linden 2, Berlin, Telefon (030) 20304444, täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. „Mythos Burg“ wird bis zum 7. November 2010 im Germanischen Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, Nürnberg, Telefon (0911) 13310, mittwochs von 10 bis 21 Uhr und an den anderen Wochentagen mit Ausnahme des Montags von 10 bis 18 Uhr gezeigt. Die beiden Ausstellungskataloge und ein Aufsatzband sind zum Gesamtpreis von 60 Euro im Sandstein Verlag erschienen.


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