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24.07.10 / »Seien wir schrecklich« / Methoden des Kommunismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

»Seien wir schrecklich«
Methoden des Kommunismus

1949 lebte gut ein Drittel der Weltbevölkerung in kommunistisch regierten Staaten. 40 Jahre später, nach der Auflösung des Ostblocks, schien die Ideologie des Kommunismus erledigt zu sein. Indessen hält sich diese Staatsform noch in Kuba, Nordkorea und in Form des „chinesischen Sonderwegs“. Der Historiker David Priestland, Hochschullehrer für Neuere Geschichte in Oxford, hat eine „Weltgeschichte des Kommunismus − Von der Französischen Revolution bis heute“ vorgelegt. Es handelt sich um einen Rückblick auf gut 200 Jahre, in denen sich die kommunistische Idee rund um den Erdball ausgebreitet und den Verlauf der Geschichte geprägt hat. Priestland hat damit einen Themenkomplex von schier unfassbarem Umfang bewältigt, ist doch allein der Sowjetkommunismus, der im Mittelpunkt steht, ein großes Projekt. Weiterhin hat er die Entwicklungen in Europa, China, Kambodscha, Nordkorea, Afrika und Lateinamerika untersucht und dabei die jeweiligen kommunistischen Vordenker porträtiert. Das aus zwölf Einzelkapiteln bestehende Werk ist dementsprechend äußerst detailreich, doch es ist für ein breites Publikum konzipiert. Passagen, in denen Ereignisse und Einzelschicksale im Mittelpunkt stehen, werden eingeblendet. Zudem: Priestland rechnet nicht ab.

„Seien wir schrecklich, damit das Volk nicht schrecklich sein muss!“ Dantons Aufruf zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der kommunistischen Utopie von der Gleichheit der Menschen und spaltete ihre tonangebenden Anhänger. Von Anfang an gab es sehr unterschiedliche Auffassungen vom Klassenkampf und über die Mittel des Machterhalts. Deren Vertreter bekämpften einander gnadenlos. Die politischen Spielarten des Kommunismus, die sich jeweils durchsetzten, von Lenin und Tito, Mao, Fidel Castro und Kim Il-Sung bis zu Pol Pot und den Roten Khmer, waren geprägt von Terror und Gewaltherrschaft, Bevormundung und Verdächtigung, Mangelwirtschaft und Kollektivierungskampagnen. Dem eigenen Volk wurde ein niedriger Lebensstandard aufgezwungen, um die Industrialisierung zu finanzieren. Allen Theorien zum Hohn traten in den sozialistischen Gesellschaften oft schroffe Klassenunterschiede zutage. Um die Bevölkerung in Schach zu halten, wurden die Massen manipuliert und mobilisiert. Dem Umgang der Machthaber mit Künstlern und Kunstwerken hat der Autor viel Aufmerksamkeit gewidmet. Protestbewegungen wie 1953 in der DDR, 1956 in Polen und Ungarn oder 1968 in der CSSR schwächten die Autorität des mächtigen „Großen Bruders“ ebenso wie Rumänien und Albanien mit ihrer „hochstalinistischen“ und gleichzeitig nationalistischen Ideologie: „Beide Länder waren nichtslawische Agrargesellschaften … Sie betrachteten die Sowjetunion unter Chrustschow als neue imperialistische Macht, als Bedrohung ihrer nationalen Eigenständigkeit.“ Unter Michail Gorbatschow, der Reformen nach schwedischem Vorbild anstrebte, implodierte das System schließlich. 

Im vorletzten Kapitel „Zwillingsrevolutionen“ geht es um Aus- und Nachwirkungen wie die Faszination der Eliten in den Entwick-lungs- und Kolonialländern, die Freiheitskämpfer im Dschungel und die westlichen Studentenbewegungen zur Zeit von Nixon und Kissinger. Der Autor bietet Erklärungen an, zum Beispiel: Warum sehen so viele Menschen in Russland bis heute in Stalin ein leuchtendes Vorbild? Nach dem Krieg, erläutert Priestland, schien die Existenzberechtigung des Kommunismus festgeschrieben. Der Sowjetkommunismus war unauflöslich mit Stalins Sieg über das nationalsozialistische Deutschland verknüpft.            Dagmar Jestrzemski

David Priestland: „Weltgeschichte des Kommunismus von der Französischen Revolution bis heute“, Siedler Verlag 2009, geb., 782 Seiten, Abbildungen, 32 Euro


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