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24.07.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Sehr ärgerlich / Wie Joschka Fischer alles kommen sah, wie Ewald Schurer sich die Welt vorstellt, und wie die Deutsche Bahn von Dreijährigen geführt wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Sehr ärgerlich / Wie Joschka Fischer alles kommen sah, wie Ewald Schurer sich die Welt vorstellt, und wie die Deutsche Bahn von Dreijährigen geführt wird

Joschka Fischer hat das kommen sehen. Die Grünen haben seit ihrem Bestehen an die direkte Demokratie („Basisdemokratie“ genannt) viel Herzblut verspritzt. Ganz am Anfang, als sie noch nirgendwo an der Macht waren, konnte es gar nicht basismäßig genug abgehen.

Spätestens 1998 mit dem Einzug in die Bundesregierung verschob sich der Blick jedoch. Die „Basis“ bekam etwas Unheimliches, zumindest ahnte man, dass einem die „Leute auf der Straße“ noch mal ziemlich lästig fallen könnten. Der frisch ernannte Außenminister Fischer sortierte die Sache daher mit der ihm eigenen Chuzpe um: Direkte Demokratie sei nicht dafür da, dass Mehrheiten ihren Willen durchsetzten, sondern dafür, dass Minderheiten  ihre Belange anmelden könnten. Wie jetzt? Das klingt aber ziemlich verwurschtelt. Was Fischer sagen wollte: Wenn wir Sachen, die wir im Parlament nicht durchbekommen haben, per Volksabstimmung zu Wege bringen, dann ist das gelebte Basisdemokratie. Wenn die anderen das gleiche machen, dann nennen wir das Missbrauch demokratischer Instrumente. Punkt.

Gute Idee, aus Sicht der Grünen zumindest. Leider wurde nichts draus, die direkte Demokratie gilt, wo sie denn gilt, unvorsichtigerweise für alle.

Es ist wirklich sehr, sehr ärgerlich. Ausgerechnet Schulpolitik. Die Hamburger Politpädagogen müssen sich veräppelt vorkommen wie die schusseligen Lehrertypen in den Pennälerklamotten der jungen Bundesrepublik. Das fröhliche Lied vom gemeinsamen Lernen auf den glühend roten Lippen schritten sie ihrer Schülerschar voran, hinauf zur neuen „Primarschule“. Kurz vor dem Ziel dann der Schock: Bis auf die Streber vom Schülerrat hatten sich alle davongemacht und einen ganz anderen Kurs eingeschlagen. Aus der Ferne winkt die freche Bande auch noch triumphierend herüber!

Die Häme sollten wir uns bitte sparen. Hätten die Schulreformer den Totalschaden etwa kommen sehen können? Nie und nimmer. Dafür hatten sie in den vergangenen Jahrzehnten schlichtweg zu gut gearbeitet. Alles, was irgendwie mit Schule und Bildung zu tun hat, bevölkerten sie mit ihren Leuten: die Gewerkschaft, die Schülervertretungen und Lehrerkollegien, die Schulausschüsse in den Parteien, die Expertensessel in zahllosen mehr oder weniger staatlichen und staatlich geförderten Forschungseinrichtungen. Überall war die falsche Gesinnung erfolgreich stumm gemacht worden. Alle, die nicht dazu gehörten, waren irrelevant geworden, standen draußen vor der Tür, für den Müllschlucker der Geschichte bestimmt. Nun haben die einfach die Pforte aufgebrochen und die traute Runde gesprengt. Es ist unerhört.

Die Gefahr an der direkten Demokratie bleibt, dass hier strohblöde Bürger über Fragen abstimmen, die man ohne die geballte Kompetenz eines Parlamentariers gar nicht begreift. Wer wollte denn bestreiten, dass das Schicksal des Volkes in den Händen der Profipolitiker noch am besten aufgehoben ist?

Es soll allerdings vorkommen, dass die klugen Mandatsträger schnöde getäuscht werden und deshalb falsch abstimmen. Der SPD-Haushaltspolitiker Ewald Schurer fühlt sich bei der Hauruck-Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm übel hintergangen. „99 Prozent der Abgeordneten“, schimpft Schurer, hätten nicht gewusst, dass die 60 Milliarden Euro, welche die EU beisteuert, „nicht aus Eigenmitteln der Kommission stammen, sondern ebenfalls als Kredite aufgenommen werden müssen“. Auch dass die 440 Milliarden von den Euro-Staaten, 123 von Deutschland, erst noch zusammengeborgt werden müssten, habe man erst jetzt entdeckt. Dass seien „echte Hämmer“, so der erboste Experte.

Wir fluchen auch, noch mehr aber staunen wir: Hatte der Herr Schurer wirklich gedacht, dass die EU-Kommission in einem Brüsseler Keller 60 Milliarden gebunkert hat, die sie nur raufholen muss? Und dass beispielsweise Deutschland, das sich Jahr für Jahr höher verschulden muss, nur um über die Runden zu kommen,  einen 123-Milliarden-Schatz im märkischen Sand vergraben hat? Wüsste der Herr Schurer, dass seine Hausbank sein eingezahltes Spargeld nicht etwa im Tresor artig aufstapelt, sondern sogleich weiterverleiht, träfe ihn vermutlich der nächste Hammer.

Kritiker bemängeln, dass Haushaltspolitiker mit unseren Milliarden herumwürfen als glaubten sie, es gäbe immer noch gewaltige Reserven, die man nur anzapfen müsste. Nun wissen wir: Genau das glauben die wirklich! Wir müssen uns auf einiges gefasst machen.

Dazu haben allerdings zahlreiche Leute keine Lust mehr. Sie wandern aus. Ist aber auch keine leichte Sache: Alles stehen und liegen lassen, fern der Heimat noch mal neu anfangen. Wie wäre es, wenn man die Heimat beim Auswandern einfach mitnehmen könnte? Die schlauen Schweizer, deren Land ein begehrtes Ziel von Auswanderern ist, kamen als erste auf diese bestechende Idee. Sie fragten im nahen Ausland herum, ob man sich dort vorstellen könne, sich der Eidgenossenschaft anzugliedern: Die befragten Baden-Württemberger sagten zu 48 Prozent Ja, ebenso wie die Elsässer. In Vorarlberg und dem Nordwestrand Italiens waren es sogar 52 von Hundert.

Immerhin hat nicht bloß Deutschland an Attraktivität verloren. Dennoch eine frappierende Zahl. Abhauen liegt im Trend. Eben noch musste man Politiker heidemorden, um sie loszuwerden. Neuerdings tritt einer nach dem anderen mit einem „Nö, hab keine Lust mehr“ vor die Kameras und verschwindet.

Warum sollten sie auch arbeiten, bis sie so alt sind, dass das Verprassen ihrer schicken Pensionen nur noch halb so viel Spaß macht? Ole von Beust hat seinen Vorruhestand penibel vorbereitet. Erst seit dem 13. April steht ihm die volle Pension zu, ab sofort. Da wurde er nämlich 55. Gut vier Monate später nun geht er. Berichten zufolge stehen ihm auf Lebenszeit 9750 Euro monatlich zu. Nun aber kein Neid, er war ja auch endlose 32 Jahre politisch tätig, wie der scheidende Bürgermeister stolz vermerkt (Was wohl Adenauer dazu gesagt hätte? „32 Jahre! Du Küken!“). Ein Durchschnittsverdiener, der ebenfalls dieses Jahr in Rente geht, hätte theoretisch seit dem Jahre 1652 durchgehend in die Rentenkasse einzahlen müssen, um auf 9750 Euro zu kommen. Hoffentlich war es keine allzu schwere Arbeit, sonst dürfte er nach seiner 358-jährigen Berufstätigkeit zu abgekämpft sein, um das viele Geld wirklich genießen zu können.

Aber Ole von Beust will ganz gewiss noch nicht zum alten Eisen. Als erfahrener „Elder Statesman“ könnte er uns in TV-Runden an seinem Fachwissen teilhaben lassen, etwa zu der Frage, warum die Rente mit 67 unumgänglich ist, was „wir alle gemeinsam“ endlich begreifen müssten, wo wir doch „alle in einem Boot sitzen“. Ja, ja.

Was sollte er auch sonst mit der vielen Freizeit anfangen? Immer bloß herumreisen? Viel zu heiß in den Zügen. Zumindest hat uns der Sonderbeauftragte der Deutschen Bahn, Georg Brunnhuber, aufgeklärt, wie es zu den Ausfällen der Klimaanlagen kam: Der „Klimawandel“ sei schuld. Als die ICE-Züge geplant worden seien, habe noch niemand damit rechnen können, dass es in Deutschland jemals über 35 Grad werde.

Entweder wird die Bahn von Dreijährigen geführt, welche die Geschichten über die heißen Sommer 2006 oder 2003 (bis zu 40,2 Grad) für Seemannsgarn der Altvorderen halten. Oder aber die Entwicklung der Hochgeschwindigkeitszüge begann weitaus früher als bislang angenommen, nämlich vor mehr als 12000 Jahren während der letzten großen Eiszeit.

Mit Meteorologen redet die Deutsche Bahn offenbar nicht gern, nicht mal übers Wetter. Die Forscher hätten erzählen können, dass es in Deutschland solche Hitzewellen schon vor 100 Jahren gegeben hat und die Thermometer durchschnittlich alle zwei Jahre über 35 Grad steigen.


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