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31.07.10 / Tiefer Riss in der CDU-Fraktion / Einladung an Geert Wilders sorgt für Eklat – Henkel droht Stadtkewitz mit Rauswurf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-10 vom 31. Juli 2010

Tiefer Riss in der CDU-Fraktion
Einladung an Geert Wilders sorgt für Eklat – Henkel droht Stadtkewitz mit Rauswurf

Ein CDU-Faktionsmitglied im Berliner Abgeordnetenhaus hat den niederländischen Wahlsieger Geert Wilders in die deutsche Hauptstadt eingeladen. CDU-Chef Frank Henkel antwortet mit einem Ultimatum.

Rene Stadtkewitz – Noch-Mitglied der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, aus der Partei jedoch ausgetreten – sorgt erneut für Aufregung in der Union. Der Abgeordnete gab bekannt, dass der islamkritische niederländische Politiker Geert Wilders am 2. Oktober auf seine Einladung hin in Berlin sprechen werde. Wilders hatte vor wenigen Wochen einen bedeutenden Wahlsieg erzielen können. Seitdem verhandeln die anderen bürgerlichen Parteien mit ihm über eine gemeinsame Regierungsbildung. Fragen, ob Stadtkewitz nunmehr nach niederländischem Vorbild auch eine „Freiheitspartei“ nach Wilders Vorbild gründen wolle, beantwortete er nicht, ließ aber auf Nachfragen erkennen, dass er Potenzial dafür sehe.

Mitte der Woche forderte CDU-Landeschef Frank Henkel seinen Fraktionskollegen auf, die Einladung rück-gängig zu machen. Zudem solle er binnen drei Tagen „verbindlich“ erklären, dass er keine „Organisation oder Partei“ unterstütze, die „in Konkurrenz zur Berliner CDU“ bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus 2011 antrete. „Herrn Wilders und seiner Partei geht es um die Dämonisierung einer ganzen Religion“, schreibt Henkel, und: „Als Vorsitzender kann ich nicht dulden, dass Mitglieder meiner Fraktion Personen zu Veranstaltungen einladen, die ein derartiges Gedankengut verbreiten.“

Henkel hält Stadtkewitz vor, sich von den Zielen und Werten der Union entfernt zu haben. Das Problem: Sollte Stadtkewitz die Fraktion nicht freiwillig verlassen – und das will er nicht, wie er gegenüber dieser Zeitung erklärte –, wird es Frank Henkel schwer haben, seinen Ankündigungen auch rasche Taten folgen zu lassen. Die nächste Fraktionssitzung findet erst am 7. September statt. Bis dahin könnte sich für Henkel die Sache zu einer unendlichen Geschichte auswachsen.

Am 23. Juli hat Rene Stadtkewitz das Schreiben beantwortet und deutlich gemacht, dass es bei der Einladung bleibe. Er findet sich zudem von Henkel unfair behandelt, denn dessen persönlich gehaltenes Schreiben habe dieser allen Medien zugänglich gemacht: „Dein Vorgehen zeigt mir, dass es Dir gar nicht so sehr darum geht, wie ich auf diesen Brief reagiere, sondern dass es Dir viel mehr darum geht, Dich möglichst schnell von meinen Positionen und Überzeugungen öffentlichkeitswirksam zu distanzieren. Ich finde dies bedauerlich, weil ich gerade bei Vorträgen, die ich in den letzten Monaten in verschiedenen Ortsverbänden der Berliner CDU gehalten habe, sehr viel Zuspruch für meine Positionen erfahren durfte.“ Tatsächlich ist Zustimmung zu Stadtkewitz’ Positionen nicht nur an der CDU-Basis erkennbar, sondern sogar in einem Milieu, wo man das eher nicht erwarten konnte. Die Leserschaft des linksliberalen „Tagesspiegel“ debattiert seit Tagen engagiert über die Einladung an Wilders – wobei ein erheblicher Teil der Leser die Einladung begrüßt. Der Niederländer scheint das Interesse der Hauptstädter zu wecken.

Die Spree-CDU hingegen verunsichert ihre Anhänger offenbar immer mehr, ist bei der jüngsten Umfrage vor einem Monat erneut unter die 20-Prozent-Marke gerutscht. 

Fahrigkeit und vorschnelles Urteil wirft Stadtkewitz in seinem Brief an Henkel dem CDU-Chef vor: „Ich mache Dir nicht zum Vorwurf, dass Du Geert Wilders nicht kennst, ich werfe Dir aber vor, dass Du verfälschte Aussagen aus ungeprüften Quellen als angebliche Zitate übernimmst und darauf ein vernichtendes Urteil aufbaust. Wir können sicher sein, dass unser seit jeher tolerantes Nachbarvolk einen Politiker, der – wie Du schreibst – allen Muslimen pauschal und undifferenziert irgendetwas unterstellt, nicht in dieser Weise gewählt hätte, denn genau dies tut er nicht. Er differenziert sehr genau zwischen den Muslimen und dem Islam. Den Islam wiederum unterscheidet er in seinen religiösen Teil und seinen politisch instrumentalisierten, gesellschaftlichen Teil.“ Nicht Wilders habe den Koran mit „Mein Kampf“ verglichen, sondern letztmalig die italienische Schriftstellerin Oriana Fallaci in ihrem Buch „Die Kraft der Vernunft“ aus dem Jahre 2004.

Je länger Stadtkewitz die Frage unbeantwortet lässt, was er denn politisch, mit Blick auf die im Herbst 2011 stattfindenden Abgeordnetenhauswahlen, zu tun beabsichtigt, um so mehr nimmt anscheinend das Interesse daran zu. Aus Enttäuschung über die etablierten Parteien scheinen immer mehr Berliner auf der Suche nach Alternativen zu sein: „Sonstige Parteien“ rangierten bei der jüngsten Umfrage bei neun Prozent, ein vergleichsweise hoher Wert.

In Berlin wird indes gemunkelt, dass Rene Stadtkewitz womöglich „keine Lust“ mehr habe und daher den Eklat absichtlich suche. Er ist anders als manch anderer Parlamentarier nicht auf eine politische Tätigkeit zum Einkommenserwerb angewiesen. Das von ihm geführte Unternehmen floriert. Persönlich ist er zur Zielscheibe geworden. 2006 hatten unbekannt gebliebene Täter sein Einfamilienhaus, in dem er mit seiner Frau und seinen kleinen Kindern wohnt, angesteckt. Die Staatsanwaltschaft wollte, für manche unbegreiflich, jedoch keinen politischen Hintergrund in Betracht ziehen. Statt im linksextremen Spektrum um die sogenannte „Antifa“ ermittelten die Beamte monatelang im Umfeld des Parlamentariers. Ohne Erfolg. Theo Maass


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