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07.08.10 / Jobwunder in Gefahr / Ringen um die Reform von Hartz IV: Die Bundesregierung steht unter Druck

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-10 vom 07. August 2010

Jobwunder in Gefahr
Ringen um die Reform von Hartz IV: Die Bundesregierung steht unter Druck

Die Versorgung von Langzeitarbeitslosen muss bis Jahresende neu geregelt werden. Die Bundesregierung sucht eine Lösung, die die Erholung am Arbeitsmarkt nicht gefährdet. Dabei steht sie unter Druck von vielen Seiten.

Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine Reform von „Hartz IV“ noch in diesem Jahr: Die Regelsätze müssen dabei nicht unbedingt erhöht, wohl aber transparenter berechnet werden. Bisher werden die Sätze alle fünf Jahre nach einer breit angelegten Untersuchung des Konsumverhaltens von Geringverdienern neu kalkuliert. Dazwischen folgen die Sätze der Entwicklung der Renten. Damit wird nun Schluss sein, vielmehr soll die Entwicklung von Preisen, Löhnen und Konjunktur die laufende Anpassung der Hartz-IV-Sätze bestimmen.

An sich ist die von Karlsruhe geforderte Korrektur also eher ein Detail, und theoretisch – so meinen jedenfalls Juristen – könnte der Gesetzgeber die Hartz-IV-Sätze unter dem Strich sogar kürzen und dennoch die Vorgaben der Verfassungsrichter erfüllen.

Und doch ist über die Neuregelung der Hilfe für Langzeitarbeitslose eine breite und emotionale Debatte ausgebrochen, die die Handlungsfreiheit der Koalition beschränkt. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erinnerte an das Lohnabstandsgebot: Auch nach der Reform müsse jemand, der arbeitet, fühlbar mehr Geld in der Tasche haben als ein Hartz-IV-Empfänger. Die nun geforderte Anhebung des Regelsatzes von 359 Euro für Alleinstehende auf womöglich über 400 Euro im Monat sei schon deswegen nicht realistisch, gaben ihre Sprecher zu verstehen.

Obwohl Experten vor den Folgen für Arbeitsmarkt und Staatsfinanzen warnen, wenn die Hartz-IV-Sätze kräftig angehoben würden, geht die Diskussion momentan genau in diese Richtung. Sozialverbände, Grüne, Linkspartei und zuletzt auch Kirchenvertreter plädieren fast unisono für höhere Sätze.

Auch SPD-Vize Olaf Scholz nannte die Anhebung „zwingend“. Seine Partei, die das Hartz-IV-System mit der Aganda 2010 in der Zeit von Scholz als Generalsekretär erfunden und durchgesetzt hat, ist bei diesem Thema immer noch innerlich zerrissen, ja fast traumatisiert: Auf der einen Seite stand und steht die dadurch gewonnene Dynamik am Arbeitsmarkt, mit der Millionen Geringqualifizierte eine Chance bekommen haben – an sich ein großes Thema für die SPD. Auf der anderen Seite steht aber die für die Partei bis heute nicht verkraftete „Fahnenflucht“ ihres früheren Bundesvorsitzenden Oskar Lafontaine zur damaligen PDS, die als „Linke“ heute bei elf Prozent steht.

Noch ist unklar, zu welchen Ergebnissen die nicht eben durchsetzungsstarke Bundesregierung von CDU, CSU und FDP in dieser Gemengelage finden wird. Klar ist, dass ohne Realismus in der Sozialpolitik das international beneidete deutsche Jobwunder schon bald der Vergangenheit angehören dürfte.   Konrad Badenheuer


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