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07.08.10 / Minsk droht heißer Herbst / Medienkrieg könnte für den Kreml zum Bumerang werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-10 vom 07. August 2010

Minsk droht heißer Herbst
Medienkrieg könnte für den Kreml zum Bumerang werden

Nach Auseinandersetzungen um Gas- und Öllieferungen mündete der „Bruder­zwist“ zwischen Minsk und Mos­kau in einen Fernsehkrieg. Der kremlnahe Sender NTW strahlte zur besten Sendezeit den Zweiteiler „Väterchen und Pate“ aus, in dem Alexander Lukaschenko für all das angeprangert wird, was der Westen dem als „letzten Diktator Europas“ Bezeichneten schon lange vorwirft: Aushebelung der Verfassung, Verfolgung der Opposition, die Kontrolle der Geldströme im Land. Auch für das Verschwinden von Oppositionellen soll er verantwortlich sein.

Für Lukaschenko steht das Amt auf dem Spiel, wenn − voraussichtlich im Februar 2010 − der Präsident neu gewählt wird. Um ein viertes Mal kandidieren zu können, ließ er die Verfassung ändern. Gerüchten zufolge will er die Wahl auf den Herbst vorverlegen, um der Opposition den Wahlkampf  zu erschweren. Es könnte turbulent zugehen, denn bis zu 60 Kandidaten wollen sich nominieren lassen. Noch gilt Lukaschenko als Favorit, der große Beliebtheit genießt. Dies könnte sich ändern, wenn die Menschen im Land den Wegfall der russischen Subventionen zu spüren bekommen und Lukaschenko sein staatlich finanziertes „Wirtschaftswunder“ nicht aufrecht erhalten kann.

Dem Kreml scheint der widerspenstige Verbündete lästig geworden zu sein. Zu oft zog er den Unmut Moskaus auf sich, zuletzt, indem er Georgiens Staatschef Michail Saakaschwili empfing und sich für die Angriffe aus Moskau rächte, indem er diesen im weißrussischen Fernsehen Kritik an der rüden Kreml-Politik üben ließ. Beide Staatsoberhäupter vereinbarten neben Lebensmitteltauschgeschäften auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen für Maschinenbau, die im strukturschwachen Georgien entstehen sollen. Schon 2008 verweigerte Minsk sich, Russland beim Wirtschaftsembargo gegen Georgien. Bis heute hat Minsk die Unabhängigkeit der Republiken Abchasien und Südossetien nicht anerkannt. Da Lukaschenko auf die Unterstützung des Westens nicht hoffen kann, sucht er anderswo Verbündete, die er im venezolanischen Diktator Hugo Chavez und Georgiens Saakaschwili gefunden zu haben glaubt.

Mit der Einladung vier weißrussischer Oppositionspolitiker setzt der Kreml Zeichen. Der Parteivorsitzende der Liberalen Anatolij Lebedko sowie seine Stellvertreter Jaroslaw Romantschuk und Alexander Dobrowolski durften in Mos­kau Tuchfühlung mit Duma-Abgeordneten und Finanzminister Alexej Kudrin aufnehmen. Spekulationen zufolge gilt als Russlands Favorit Ex-Vize-Außenminister Andrej Sannikow, den der Westen allerdings nicht gern sehen würde. Als möglicher Kompromisskandidat von Brüssel und Moskau gilt der Wirtschaftsfachmann Romantschuk.

Eine offene Unterstützung der weißrussischen Opposition könnte für den Kreml allerdings zum Bumerang und zur unfreiwilligen Schützenhilfe für Lukaschenko geraten, denn für seine Standhaftigkeit und die Kraftsprüche gegen­über Moskau lieben die Weißrussen ihr „Väterchen“. Mos­kaus Favorit könnte zudem die Unabhängigkeit Weißrusslands von Russland  noch weiter vorantreiben. Minsk steht ein heißer Herbst bevor.     M. Rosenthal-Kappi


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