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07.08.10 / Spion Friedrichs des Großen? / Biographie des preußischen Staatsministers Graf Goertz gewährt Einblicke

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-10 vom 07. August 2010

Spion Friedrichs des Großen?
Biographie des preußischen Staatsministers Graf Goertz gewährt Einblicke

Plante Graf Johann Eustach von Goertz 1771 den Staatsstreich, um die Herzogin Anna Amalia davon abzuhalten, Sachsen-Weimar endgültig finanziell zu ruinieren? Seit wann arbeitete er für Friedrich den Großen als Spion? Wie kam es dazu, dass er nach seinen eigentlich vielversprechenden Anfängen als „Prinzenmanager“ im beschaulichen Weimar schließlich in Preußen Staatsminister wurde? Was tat Goertz als preußischer Gesandter am Hof der Zarin? Was unternahm er, um Napoleon aufzuhalten? Und vor allem: Wer war eigentlich Graf Goertz?

Norbert Leithold hat es nicht dabei belassen, diese Fragen auf der Grundlage bislang völlig unbeachteter Quellen zu beantworten. Er hat darüber hinaus ein höchst unterhaltsames und mit erstaunlicher Leichtigkeit zuverlässig Geschichte vermittelndes Buch geschrieben.

Leithold trat zuletzt vor allem mit Veröffentlichungen über Fried-rich den Großen hervor und stieß im Zusammenhang mit diesen Forschungen auf Goertz. Der Buchtitel verspricht nicht zu viel: Johann Eustach Graf von Goertz (1737–1821) darf mit Recht als „Der große Unbekannte“ bezeichnet werden, der bislang höchstens am Rande erwähnt wurde und für den sich offenbar niemand weiter interessierte. Leithold nimmt den Leser mit auf seine „Entdeckungsreise in die Goethezeit“. Immer wieder wechseln die Perspektiven, was sowohl der Spannung als auch der Lesbarkeit sehr zugute kommt: Einmal begleitet man Goertz, wenn er mit Carl August von Weimar nach Paris reist oder Prinz Heinrich von Preußen am Verhand-lungstisch assistiert. Ein andermal lauscht man Norbert Leitholds Gesprächen mit mehr oder weniger auskunftsfreudigen Archivaren, folgt ihm bei seiner Suche und seinen Überlegungen, wie die aufgefundenen und nicht immer eindeutigen Schriftstücke, die zudem zum Teil chiffriert waren, gedeutet werden können und wie das Geschehen rekonstruiert wird.

Der große Schatz, den Leit-hold gehoben hat, ist die Vielzahl der Briefe, die Graf und Gräfin Goertz wechselten, zuweilen über 300 im Jahr. Geplant ist eine separate, mehrbändige Veröffentlichung dieser Korrespondenz, aber man bekommt bereits hier reichlich neue Einblicke. Goethe kommt nicht allzu gut weg. Vorsichtig formuliert ließe sich sagen, dass das Ehepaar Goertz und den Dichterfürsten nicht gerade eine enge Freudschaft verband: Ausführlich tauschte man sich nicht nur über Goethes Beziehung zu Frau von Stein, sondern auch über sein gleichzeitiges Verhältnis zu Anna Amalia aus. Leithold kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Herzogin eine Zeitlang den Liebhaber Goethe „leistete“, den – wie der Autor treffend formuliert – „Popstar seiner Zeit“. Dies alles bot damals reichlich Stoff für eifersüchtige Auseinandersetzungen und noch mehr Stoff für lästernde Briefeschreiber. Aber nicht nur das „liebevoll tradierte Bild des Musenhofes“ von Weimar wird angekratzt. Auch der Blick auf die diplomatischen Missionen, mit denen der Graf im Dienste Preußens betraut war und die Leithold hier darstellt, zeigt, dass die bisherige Geschichtsschreibung der einen oder anderen Ergänzung bedarf.             Erik Lommatzsch

Norbert Leithold: „Graf Goertz – Der große Unbekannte − Eine Entdeckungsreise in die Goethezeit“, Osburg Verlag, Berlin 2010, gebunden, 336 Seiten, 24,90 Euro


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