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14.08.10 / Mehr Ideologie, mehr Bürokratie / Berlin legt sich als erstes Bundesland ein eigenes »Integrationsgesetz« zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-10 vom 14. August 2010

Mehr Ideologie, mehr Bürokratie
Berlin legt sich als erstes Bundesland ein eigenes »Integrationsgesetz« zu

Mit aller Gewalt will Berlin Immigranten in den Öffentlichen Dienst holen. Zweifel wachsen, ob die Angebote überhaupt auf Resonanz stoßen, Kritiker äußern beißenden Spott.

Als erstes Bundesland presst Berlin seine bisherige Integrationspolitik in Gesetzesform. Ein „Partizipations- und Integrationsgesetz“ des Berliner rot-roten Senats soll „Voraussetzung für eine prosperierende, friedliche und gerechte Weiterentwicklung der Einwanderungsstadt Berlin“ liefern. Der Entwurf bietet kaum Neues und möchte vor allem mehr Zuwanderer in den Öffentlichen Dienst bringen. Doch das bisher schon intensive Werben dafür ist erfolgsarm, neue Rezepte Mangelware. Der Vorgabenkatalog zeigt: Würden Verfassung und Rechtsstaat dem Senat nicht Grenzen setzen, wäre einer schablonenhaften Ausländerquote unabhängig von der Eignung Tür und Tor geöffnet. Selbst Zuwanderer sind enttäuscht: Ideologie und Ansprüche, die das Papier, auf dem sie stehen, nicht wert seien.

Noch vor Ende des Jahres soll das Abgeordnetenhaus das Gesetz beschließen. Das Vermächtnis der engagierten Jugendrichterin Kirsten Heisig, die Hilferufe aus den Bezirken und von Schulen, all das findet im aktuellen Integrationspapier kaum Widerhall. Das Gesetz ist Chefsache, entspringt dem Wollen von Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Der kündigte bereits im Dezember an, dieses Jahr wolle der Senat in Sachen Integration Großes leisten. Er stürzt sich nun auf die Verwaltung. Dieser unterstellt Wowereit, mehr „interkulturelle Kompetenz“ nötig zu haben. Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) ist es überlassen, die Details auszuarbeiten. Die konzentrieren sich auffälligerweise auf vermeintlich kostenneutrale Vorgaben, die jedoch in Wahrheit auf Kosten der Deutschen und der Integration gingen, fürchten Kritiker. Beispiel: Anforderungen in Stellenbeschreibungen werden künftig so gestaltet, dass Zuwanderer „bessere Chancen“ haben. Bei Bewerbungen wird „interkulturelle Kompetenz“ besonders geachtet. Praktisch könnte das so ablaufen: Ein Bewerber mit Zuwanderungshintergrund ist gegenüber einem Deutschen mit Regelbiografie im Vorteil, weil er die neue Anforderung „Türkisch als Muttersprache“ erfüllt.

Theoretisch, denn in der Praxis wird so ein Szenario selten bleiben. Das Interesse der Zuwanderer am Öffentlichen Dienst Berlins ist konstant gering. Nach Ursachen fragt der Senat nicht. Das Ziel, dass in landeseigenen Unternehmen der Zuwandereranteil dem Anteil an der Bevölkerung entspreche, wird sich so kaum erzwingen lassen.

Dass alle öffentlichen Maßnahmen künftig den Integrationsgedanken berücksichtigen sollen, ist ebenfalls eine der papiernen Vorgaben, deren bürokratische Gewalt im Alltag manchen Schaden entfalten kann. Wird ein neues öffentliches Vorhaben künftig der „Vielfalt der Stadtbevölkerung“ nicht gerecht, ist es bald nicht nur politisch, sondern auch rechtlich tot. Der Senat verewigt somit sein bisheriges fehlerreiches Handeln auf widersprüchliche Weise: „Danach ist die Integrationspolitik des Landes Berlin darauf ausgerichtet, Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit zur gleichberechtigten Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu geben und gleichzeitig jede Benachteiligung und Bevorzugung auszuschließen.“

Viele Berliner geben sich verbittert über das neue Gesetz. Was nützen, so die Frage, leichter zugängliche öffentliche Posten, wenn der Senat Einstellungsstopps verhängt, kritisieren sie in Internetforen. Dort erntet das Gesetz überwiegend beißenden Spott: „Wir brauchen kein Integrationsgesetz, denn viele Zuwanderer wissen, wie es in Berlin zugeht, und kommen gerade deswegen her.“ Das Paragraphenwerk kann als Täuschungsmanöver gelten, zumal in der für den Senat entscheidenden Frage des Ämterzugangs ungeklärt bleibt, wie viele der nun Angesprochenen überhaupt die Bildungsvoraussetzungen für den Öffentlichen Dienst erfüllen. Auch die amtsdeutsche Definition von „Migrationshintergrund“ bedeutet noch keinen Fortschritt: Wer vor 1956 zugewandert ist, zählt nicht. Die sogenannte dritte Generation, Kinder mit deutschem Pass, fällt ebenfalls nicht unter die neue Regel. Wowereits Truppe blendet auf diese Weise viele der schwersten Integrationsversäumnisse aus.

In einer Art zweitem Teil entfaltet der Text dagegen seinen gesellschaftlichen Umgestaltungsanspruch. Ganze 13 weitere Gesetzesänderungen sind bereits zwingend vorgesehen. Beispielsweise im Bestattungsrecht: Moslems sollen von der Pflicht zum Holzsarg befreit werden. Oder im Umgang mit der Kirche: „Kirchliche“ werden durch „religiöse Feiertage“ ersetzt. Die Erkenntnis, dass Sonderbehandlung eher Ausgrenzung als Eingliederung fördert, zählt nicht. Mehr Macht für den Integrationsbeauftragten, ein Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen und somit mehr Posten und Gremien nebst Bürokratie statt praktischer Programme tragen die Handschrift Wowereits.

Die Regelungswut trifft auch die Arbeit in den Bezirken. Streitbare Quartiermanager und Bezirksbürgermeister könnten bald leichter auf Senatslinie gebracht werden. Die Verlangsamung aller Integrationsmaßnahmen ist eine weitere mögliche Folge. Auch ist der Versuch radikaler Gruppen, zu den neuen Fleischtöpfen vorzudringen, absehbar. Wowereits „mehr Geld kann nicht die Antwort sein“ bedeutet immerhin, dass der Senat nicht viel Geld zur Entfaltung seiner Ideologie hat.          SV


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