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14.08.10 / Gegen-Aufklärung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-10 vom 14. August 2010

Gegen-Aufklärung von links
Politisch motivierte Denkverbote lassen die Freiheit verdorren

„Ohne Zweifel Revanchisten“, urteilt der Historiker Peter Steinbach, „ein Irrer“ polterte der SPD-Politiker Karl Lauterbach im Bundestag, „schockierend“, ein „Affront“ schimpften andere. Die Entsendung von Hartmut Saenger und Arnold Tölg in den Rat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ durch den Bund der Vertriebenen (BdV) hat bei der politischen Linken beinahe hysterische Reaktionen ausgelöst. Warum eigentlich?

Stein des Anstoßes im Falle des BdV-Präsidiumsmitglieds Saenger war ein in der PAZ im vergangenen September abgedruckter Beitrag, in dem der Autor auf eine im Sommer 1939 „erstaunliche Bereitschaft zum Krieg“ hinweist, um „staatliche Ziele durchzusetzen oder Bedrohungen durch Bündnisse abzuwehren“. Tölg hatte vor zehn Jahren auf Kriegsverbrechen der in Nürnberg als Ankläger auftretenden Nationen aufmerksam gemacht und implizit bedauert, dass diese im Unterschied zu den, wie Tölg betonte, zu recht geahndeten Verbrechen von Deutschen nie gesühnt worden seien.

Die Empörung über derlei Äußerungen dürfte manchen verwundern. Der Charakter der polnischen Politik in der Zwischenkriegszeit ist gründlich dokumentiert und dürfte einem Historiker wie Peter Steinbach bestens bekannt sein. Die Rolle beispielsweise Moskaus, die im Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes mit seinem berüchtigten „Geheimen Zusatzprotokoll“ über die Aufteilung Mittelosteuropas gipfelte, ist ebenso eine von niemandem bezweifelte Tatsache.

Dass der Hinweis auf Verfehlungen anderer die NS-Verbrechen „relativiert“ oder gar „verharmlost“, erscheint zudem schon methodisch absurd: Seit wann „verharmlost“ ein Mensch die Verbrechen eines Akteurs, indem er die Verfehlungen eines anderen ebenfalls benennt?

Die jüngste Attacke ist allerdings beileibe nicht die erste ihrer Art. Hier zeigt sich erneut ein Schema, das seit vielen Jahren bekannt ist und erkennbar System hat.

Bei historisch bewanderten Zeitgenossen lösen solche Angriffe dennoch ungläubiges Staunen aus. Das Erstaunen steigert sich noch, wenn sie erleben, was einem Diskutanten widerfährt, sobald er versucht, die Empörten mit den geschichtlichen Fakten zu konfrontieren: Die bloße Nennung der Tatsachen wird ihm als unverschämte Provokation, als Ausweis „revanchistischer“ (das heißt eigentlich nach Rache dürstender) Gesinnung ausgelegt. Dies, ohne dass die vorgebrachten Fakten an sich bezweifelt würden. Sie werden für sich als Zumutung betrachtet und einfach ausgeblendet.

Der Philosoph Hermann Lübbe hat die dahinterstehende Denkstruktur untersucht. Er brachte sie schließlich auf einen für den Laien überaus sperrigen Begriff, der nichtsdestotrotz ins Schwarze trifft: Für die systematische Wirklichkeitsverweigerung macht Lübbe die „Moralisierung der kognitiven Gehalte“ verantwortlich (lat. cognoscere: erkennen, erfahren, kennenlernen).

Der Betrachter errichtet laut Lübbe einen Filter aus moralischen Urteilen zwischen sich und der Realität. Das hat zur Folge, dass vernünftigerweise nicht bestreitbare Tatsachen, die durchaus als solche gesehen werden, vom Tisch gewischt werden, falls sie den moralischen Überzeugungen der eigenen Gesinnung zu widersprechen scheinen.

Die Anerkenntnis der Alleinschuld der Deutschen für den Zweiten (vielleicht auch den Ersten) Weltkrieg ist von interessierter Seite zur unverhandelbaren Grundlage jeder moralisch haltbaren historischen Betrachtung erhoben worden. Darum wird alles, was auf Verfehlungen anderer hinweisen könnte, aus dem Blickfeld verbannt.

Für Lübbe ist dieses Denken die Frucht einer modernen „Gegenaufklärung“. Diese fordere Bekenntniszwang und Kritikverbote. Sie stehe damit im Gegensatz zum Gedanken der Aufklärung, die den Menschen den selbständigen Umgang mit Fakten eröffnete, ohne sich dabei von Dogmen, die stets im Gewande von Moral auftreten, behindern zu lassen. Hans Heckel


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