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14.08.10 / Verlierer geeint gegen Strahlemann / Tauziehen um das Amt des CDU-Chefs von Nordrhein-Westfalen – Es geht um die Machtstatik der Partei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-10 vom 14. August 2010

Verlierer geeint gegen Strahlemann
Tauziehen um das Amt des CDU-Chefs von Nordrhein-Westfalen – Es geht um die Machtstatik der Partei

Eigentlich sollte die Debatte um die Nachfolge von Jürgen Rüttgers CDU-Chefposten in Nordrhein-Westfalen bis Ende August ruhen. Doch die Düsseldorfer CDU hat schon jetzt mit Armin Laschet einen Mann aus den eigenen Reihen nominiert. Die Bundes-CDU favorisiert dagegen überwiegend Umweltminister Norbert Röttgen für das einflussreiche Amt.

Das Märchen vom Hasen und dem Igel, das geht so: Zwei verabreden sich und der Dritte, der rennt sich zu Tode. In welchem Maße Märchen Spiegel der Wirklichkeit sind, wird zurzeit in Nord-rhein-Westfalen vorgeführt. Nur sind es dort Drei statt Zwei, die sich einigeln.

Die CDU-Politiker Armin Laschet, Andreas Krautscheid und Karl-Josef Laumann rufen Laschets mutmaßlichem Kontrahenten Norbert Röttgen auch nicht nach Art der Igel zu „Ik bün all dör“, sondern „Wir sind die Landeslösung“ und „Wir machen das als Team mit Andreas Krautscheid und Karl-Josef Laumann“, so Laschet.

Und so wird zwischen Düsseldorf und Berlin in diesen Tagen eine neue Episode des bürgerlichen Trauerspiels CDU inszeniert, denn zahlreiche CDU-Bundestagsabgeordnete sprechen sich für Röttgen aus. Doch auch in Berlin gibt es Befürworter von Laschet, so der ebenfalls aus NRW stammende Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. Doch der ist vor allem für den liberalen Laschet, weil er als offener Gegner Röttgens gilt. Von den „Röttgen-Hassern“ (Zitat „Spiegel“) soll es in Berlin inzwischen viele geben, da der stromlinienförmige Jurist viele nervt und auf seinem Weg nach oben auch bereits vielen auf die Füße getreten ist. Um politische Ziele der Kandidaten geht es nur am Rande, zumal es schwierig ist, beide Kandidaten programmatisch zu unterscheiden. Beide gelten als liberal, gleichzeitig aber eher mit den Grünen als mit der derzeit unbeliebten FDP flirtend.

Mit der Ausrufung der Kandidatur des ehemaligen NRW-Integrationsministers Armin Laschet für die Nachfolge Jürgen Rüttgers im Amt des CDU-Vorsitzenden durch den Generalsekretär der CDU, Andreas Krautscheid, unterstützt durch den CDU-Fraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann, warfen drei Wahlverlierer den Hut in den Ring, weil sie die Zukunft bei sich in besseren Händen wähnen. So jedenfalls ihre Begründung: Eine Alternative zur (wie auch immer) amtierenden Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sei „nur aus Düsseldorf heraus zu stemmen“. Für Leute mit Erinnerungslücken wies Armin Laschet darauf hin, man habe im Lande NRW keine guten Erfahrungen mit einem Bundespolitiker an der Spitze gemacht. Das bezog sich auf Norbert Blüm, der zwar einer der beliebtesten Minister im Kabinett Kohl gewesen sei, aber bei Wahlen in NRW keine Punkte habe machen können.

Eine derart harsche Abwertung eines politischen Freundes – wer in diesem Zusammenhang heute Norbert Blüm nennt, meint Norbert Röttgen – lässt sich nur durch die Erfahrung des gemeinsamen Verlustes erklären. Laschet, Laumann, Krautscheid, sie haben die Landtagswahl in NRW ebenso verloren wie Rüttgers. Doch während Rüttgers daraus die Konsequenz zog, haben diese drei CDU-Politiker weitere Ambitionen. Die allerdings nicht gesichert wären, sollte Norbert Röttgen den Landesvorsitz gewinnen. So schmettern sie dem Kontrahenten, der sich bislang nicht erklärte, trotzig entgegen: „Ach, wärst Du doch in Düsseldorf geblieben…“

Doch Norbert Röttgen war nach Berlin gegangen, hatte Hauptstadtpolitik gemacht. Und weil einer der hoch gehandelten Merkel-Lieblinge und potenziellen Nachfolger nach dem anderen von der Bühne abtrat, musste Norbert Röttgen zwangsläufig irgendwann in der Reihe der Nachrücker nach vorne kommen. Da steht er nun, und in der politischen Kaffeesatzleserei steht er da – je nach Lesart – ziemlich obenan (weil so viele anderen inzwischen weg sind) oder doch auf schwankendem Boden (weil er es sich auf Dauer mit allen Freunden verdirbt).

Die Kandidatur des Triumvirats von Düsseldorf bringt Röttgen in eine doppelte Zwickmühle: Entscheidet er sich für Düsseldorf (und setzt sich dann in seiner eigenen Partei durch, was keineswegs gesichert ist), wird sein Wert daran gemessen, ob es ihm gelingt, Hannelore Kraft aus dem ermogelten Amt zu drängen. Entscheidet er sich dagegen für Berlin, erodiert seine Basis in NRW noch mehr. Für Liebhaber großer Vergleiche hätte Röttgen die Entscheidung zwischen Scylla und Charybdis. Aber das wäre zu hoch gegriffen. Eher geht es um die Entscheidung zwischen Soest und Wanne-Eickel und in der Ferne auch Berlin.

Für Merkel ist diese Herausforderung aus NRW ein weiterer Beitrag zum Sommer ihres Missvergnügens. Wer weiß schon, ob Norbert Röttgen gerade noch in ihrer Gunst steht oder in Ungnade fiel? Auch seine Herausforderer stehen in dieser Hinsicht wahrscheinlich nicht in der Gnade der wahren Erkenntnis. Und folglich müssen sie davon ausgehen, mit dem Mann an Merkels politischer Seite auch die Kanzlerin selbst zu treffen. Allerdings: Aus deren engstem Umfeld lassen sich verstärkt Parteigänger des Düsseldorfer Triumvirats vernehmen.

Norbert Röttgen, der sich bislang (oft überraschende) Gedanken zur Laufzeit von Kernkraftwerken machte, muss sich inzwischen verstärkt Gedanken über die eigene Laufzeit machen. Aus dem größten CDU-Landesverband igelt es ihm derweil entgegen „Ik bün all dör“.         Klaus J. Groth/Bel


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