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14.08.10 / Es brennt nicht nur im Wald / Russlands Regierung feiert ihr Krisenmanagement – Doch im Volk glimmt die Wut

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-10 vom 14. August 2010

Es brennt nicht nur im Wald
Russlands Regierung feiert ihr Krisenmanagement – Doch im Volk glimmt die Wut

Seit zwei Wochen wütet ein flammendes Inferno in Zentralrussland, das die Hauptstadt Moskau lahm legt und nun auch eine Atomlagerstätte im Ural bedroht. Die Katastrophe hält nicht nur Politiker in Atem, sie überschattet einmal mehr Russlands Großmachtanspruch.

Ende Juli startete die größte russische Arktis-Expedition seit zehn Jahren. Der Atomeisbrecher „Jamal“ und das Forschungsschiff „Akademik Fjodorow“ sind in See gestochen, um in den kommenden drei Monaten Daten zu sammeln. Mit diesen wollen die Forscher den russischen Anspruch auf den Nordpol untermauern und Beweise dafür liefern, dass sich ihr  Festlandssockel auch unter Wasser fortsetzt. Doch die Russen sind nicht allein. Auch das US-Forschungsschiff „Healy“ und Kanadas „Louis S. St. Laurent“ sind unterwegs. Auch sie wollen beweisen, dass ihr Kontinent unter Wasser weiter nach Norden reicht. Im nördlichen Polargebiet lagern laut amerikanischen Geologen 30 Prozent der bislang unentdeckten Erdgasvorkommen, 13 Prozent der unentdeckten Ölvorräte sowie Gold, Silber, Eisen und Kohle. Der Wettlauf um diese Rohstoffe zwischen den fünf Anrainer-Staaten Kanada, Norwegen, USA, Russland und Dänemark (für Grönland) hat längst begonnen. Einer speziellen UN-Kommission unterliegt die Entscheidung über die Aufteilung der Arktis. Eine präzise topografische Karte des Meeresgrundes soll die Kommission überzeugen.

Immer wieder gab die russische Regierung zu verstehen, dass sie ihre Ansprüche mit allen Mitteln verteidigen werde. Dass die wirtschaftlichen Interessen an erster Stelle stehen, machte Präsident Dmitrij Medwedew beim Kopenhagener Klimagipfel im vergangenen Jahr deutlich, indem er eine Verpflichtung Russlands zum CO2-Abbau ablehnte. Dabei ist Russland nach China und den USA der drittgrößte Umweltverschmutzer. In einer breit angelegten Medienkampagne wurde die globale Erwärmung als Lüge abgetan, die vom Westen erfunden worden sei, um Russland in die Knie zu zwingen.

Angesichts der verheerenden Brände im Zentrum des Landes hat Medwedew seine Meinung geändert: „Das, was jetzt mit dem Klima auf der Erde vor sich geht, sollte uns alle ... davon überzeugen, dass alles unternommen werden muss, um die globale Klimaveränderung zu bekämpfen.“

Während Zentralrussland mit den Flammen kämpft, fegte Ende Juli im Leningrader Gebiet ein Hurrikan übers Land, der sieben Menschenleben forderte und zahlreiche Dächer abdeckte. Doch was in Russland vor sich geht, ist weniger die Folge des Klimawandels als die einer verfehlten Umweltpolitik. Seit Jahrzehnten überlassen Russen ausgebeutetes Land sich selbst. Torfabbau rentiert sich seit dem Vormarsch des Erdöls immer weniger. Torfbrände ereignen sich in den Abbaugebieten jeden Sommer. Wohl deshalb reagierte die Politik nicht sofort. Premier Wladimir Putin war als erster zur Stelle. Medwedew blieb noch ein paar Tage länger im Urlaub. Obwohl in Moskau und Umgebung schon seit über einem Monat nie dagewesene Rekordtemperaturen von über 40 Grad Celsius herrschen, hatte niemand Vorsorge getroffen. Einen funktionierenden Waldbrandschutz gibt es seit Jahren nicht mehr. 2006, also während Putins Amtszeit als Präsident, hatte die Regierung den staatlichen Forstschutz abgeschafft und die Waldpflege weitgehend privatisiert.

Die Bilanz der Feuersbrunst: Die Zahl der direkt in den Flammen Umgekommenen stieg auf über 50, an die 2000 Häuser brannten nieder, 650000 Hektar Wald wurden vernichtet. In der Nähe von Moskau verbrannten in einem Marinelager 200 Flugzeuge und Hubschrauber. Moskau erstickt im Smog. Täglich sterben 700 Menschen, das sind doppelt so viele wie sonst. Die wirkliche Opferzahl könnte jedoch dreimal so hoch liegen. Ärzte berichten anonym auf Internetblogs darüber, dass in den Krankenhäusern Leichen in Kellern stehend gelagert werden, weil die Kühlfächer überfüllt seien. Die Lage in der Stadt ist kritisch. Niemand kann vorhersagen, wie lange die Infrastruktur, Asphalt, Strom- und Versorgungsleitungen noch der Hitze standhalten. Dennoch weigert die Regierung sich, den Notstand zu verhängen. Auch die von Atomanlagen ausgehende Gefahr wird heruntergespielt. Immerhin wurde rund um die Wiederaufbereitungsanlage Majak am Ural der Ausnahmezustand ausgerufen. Der geschätzte Verlust für die russische Wirtschaft soll über elf Milliarden Euro betragen.

Die Versäumnisse der Regierung werden immer schärfer kritisiert. In den Regionen fehlt jede Infrastruktur, fehlende Wege erschwerten die Löscharbeiten, Gerät war entweder defekt oder wurde nicht angefordert. Obwohl Putin in die Provinz eilte und den Opfern großzügige Hilfen anbot, bekam er die Wut der Betroffenen zu spüren. Diese Szenen durften jedoch nicht gezeigt werden. Im Fernsehen war Putin als personifizierte Macht zu sehen, die sich unters Volk mischt. Kritiker sehen darin Wahlpropaganda. Als Krisenmanager könnte Putin buchstäblich als „Phoenix aus der Asche“ aus der Katastrophe hervorgehen. Weniger überzeugend steht Präsident Medwedew mit seinen hilflos klingenden Ratschlägen da. Immerhin zahlte er umgerechnet 9000 Euro auf ein Spendenkonto und rief andere dazu auf, seinem Beispiel zu folgen.

Umweltschützer fordern als Sofortmaßnahme die Flutung der Torfgebiete. Die Armee hat zwar inzwischen Wasserleitungen in die Brandherde gelegt, jedoch wirkt dies wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Seit Jahren fordern auch Wissenschaftler die Renaturierung der Moore. Dies verursacht hohe Kosten, dem Staat und den Kommunen fehlt Geld und den Verantwortlichen der politische Wille zum Handeln. Manuela Rosenthal-Kappi


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