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14.08.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-10 vom 14. August 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,     

liebe Familienfreunde,

hat jemand was von „Sommerloch“ gesagt? Der hat nicht unsere „Ostpreußische Familie“ gekannt, denn was auch jetzt zur Ferienzeit bei uns an Post eingeht, ist schon beachtlich. Und erfreulich! Da konnten Wünsche erfüllt und Fragen beantwortet, Weichen für neue Verbindungen gestellt werden. Und Überraschungen gab es – auch für mich, und dafür möchte ich mich zuerst bei Herrn Hans-Dieter Meyer aus Hagen bedanken. Vor einem Jahr hatten wir seinen Wunsch nach ostpreußischen Theater- und Konzertprogrammen veröffentlicht, die er erfassen und im Internet veröffentlichen wollte. Er fand tatkräftige Helfer in Herrn Prof. Hans-Joachim Newiger aus Bielefeld und Herrn Heinz Czallner aus Frankfurt. Obwohl die Erfassung der Programmzettel erst am Anfang steht, ist sein Vorhaben auf einer anderen Ebene inzwischen weit gediehen. Hans-Dieter Meyer hat die Programme der meisten ostpreußischen Theater von etwa 1900 bis 1944 ausgewertet und in Übersichten gebracht, die es ermöglichen festzustellen, welches Stück an welchem Tag gegeben wurde.

Und nun kommt’s, denn Herr Meyer schreibt: „Dabei ist mir auch die junge Ruth Geede über den Weg gelaufen. Noch vor meiner Geburt im Dezember 1937 in Königberg ist in Dr. Karl Binks Niederpreußischer Bühne Ihr ,Zehrbrotke‘ gelesen beziehungsweise gespielt worden, wie Sie den beiden Ausschnitten aus dem ,Deutschen Bühnen-Spielplan‘ entnehmen können. Ich bin sicher, dass dieser Hinweis Erinnerungen in Ihnen wachruft.“ Und wie, lieber Herr Meyer, denn diese Aufführungen gehören zu den schönsten Erfolgen meiner frühen Schriftstellerjahre. Damals ging durch die deutsche Presse die Meldung „21-Jährige zweimal preisgekrönt“! Die 21-Jährige war ich, und preisgekrönt wurden meine in ostpreußischem – korrekt: niederpreußischem – Platt geschriebenen Spiele „Dat Zehrbrotke“ und „Wenn de Musikante koame“. Die Niederpreußische Bühne hatte diesen „Dramenwettbewerb“ ausgeschrieben, weil sie abendfüllende Stücke benötigte, und ich hatte mich zwar nur mit einem Drama, aber auch mit einem Lustspiel daran beteiligt. Ich bekam den Ersten und Zweiten Preis und dazu die Aufforderung von Dr. Karl Bink, selber in meinem „Zehrbrotke“ mitzuspielen, denn er hatte mich schon im Reichssender Königsberg gehört. Mithilfe seiner Frau, der Schauspielerin Margarete Kranz, gelang es mir dann auch, meiner fiktiven Hauptfigur – der Magd Hanne – Gestalt zu geben. Dieses im prussischen Brauchtum verwurzelte Spiel wurde ein so großer Erfolg, dass die Niederpreußische Bühne zu einem Gastspiel nach Hamburg fahren konnte. Dort war die Niederdeutsche Bühne – Vorläufer des heutigen Ohnsorg-Theaters – zum plattdeutschen Mu­sentempel geworden. Leider kam ich damals nicht nach Hamburg, denn mich hatte im bitterkalten November 1937 eine böse Grippe erwischt und Margarete Kranz übernahm meine Rolle. Aber auch dieses Gastspiel bestätigt mir nun Herr Meyer mit einem Auszug aus dem Deutschen Bühnen-Spielplan – noch nach 73 Jahren! Da habe ich mich natürlich wie ein Stint gefreut. Das Textbuch besitze ich leider nicht mehr, aber das von den „Musikante“, denn das Lustspiel wurde bei Holzner, Tilsit, gedruckt und ist oft in Ostpreußen aufgeführt worden. Ein sehr herzliches Dankeschön an Herrn Hans-Dieter Meyer, von dem wir weiter hören werden, wenn die genannten Spielpläne und weitere Informationen aus dem ostpreußischen Kulturleben von ihm ins Internet gestellt wurden.

Das war nicht die einzige Überraschung für mich, eine weitere kam von bis dahin unbekannter Seite und gelang deshalb besonders. Es handelt sich um das Vorlesungsverzeichnis der Universität Königsberg Sommersemester 1933, in dem ich Namen und Angaben fand, die für meine eigene Familiengeschichte sehr wichtig sind. Bedanken muss ich mich dafür bei Herrn Michael Schuncke aus Baden-Baden, der aus einer der bekanntesten deutschen Musikerfamilien stammt, denn nur die Bachs mit ihren 50 „Profis“ waren zahlreicher in Europa vertreten als die Schunckes mit immerhin 25 ausübenden Musikern, unter denen die Hornisten eine herausragende Rolle spielten. In diesem Schumann-Jahr kommt der Lebensaufgabe des letzten männlichen Nachkommens dieser Musikerfamilie, der mit der Gründung und Betreuung des Schuncke-Archivs und den damit verbundenen Aufgaben ein Kapitel deutscher Musikgeschichte bewahrt und lebendig erhält, eine besondere Bedeutung zu: Der berühmteste Namensträger der Familie, der Komponist Ludwig Schuncke, war Roberts Schumanns engster musikalischer Jugendfreund. Die Werke des leider sehr jung Verstorbenen werden mit denen weiterer Vertreter der „Romantischen Epoche“ in Konzertveranstaltungen des Schuncke-Archivs gepflegt. Diese Kurz-Information muss leider genügen, um zu erklären, warum sich Michael Schuncke an mich wandte. Bei der laufenden Feinarbeit entdeckte er im Archiv-Fundus das Vorlesungsverzeichnis der Albertina von 1933 und ein Mäppchen mit zwölf Fotografien von Marienburg aus jener Zeit. Herrn Schunckes vor acht Jahren verstorbene Ehefrau Dorothea hatte diese Objekte mit eingebracht, denn sie stammte aus Metgethen. Aus einer hochmusikalischen Familie, denn die junge Dorothea Czibulinski erhielt ihre erste Ausbildung zur Mezzosopranistin bei ihrer in Königsberg lebenden Tante Margarete Schulz geborene Czibulinski. Sie hat ihre Heimat nie vergessen, wie die bewahrten Relikte aus ihrer Jugend besagen, aber noch mehr bewies sie das als treue Leserin des Ostpreußenblattes. Das nun ihr in Dresden geborener Ehemann weiter liest mit Schwerpunkt „Ostpreußische Familie“ und deshalb Dank sagt für unsere „wunderbare und schwierige Arbeit“, für die das überlassene Vorlesungsverzeichnis auch sehr wichtig ist. Die gleichzeitig übersandte Marienburg-Mappe mit den zwölf sehr gut erhaltenen, gestochen scharfen Aufnahmen (Verlag Trinks & Co, Leipzig) reiche ich aber auf Wunsch von Herrn Schuncke weiter an unsere Leserschaft. Wer möchte das Mäppchen aus den 20/30er Jahren haben?

Erfolge sind auch wieder zu melden. Sehr erfreut ist Herr Prof. Günter Hertel über die Informationen, die er auf seine Fragen nach Unterlagen über die Kirche von Alt-Lappienen/Rauterskirch und Seckenburg bekommen hat. Über ein Originalfoto, das ihm von einer Elchniederungerin, die heute in Gelsenkirchen lebt, zugesandt wurde, war er besonders überrascht. Das gut erhaltene Bild zeigt die Einweihung der neuen Gilgebrücke, die Rautersdorf mit Rauterskirch ab 1940 verband und damit die Fährverbindung zwischen dem südlichen und nördlichen Ufer der Gilge ablöste. Sie war vor allem zu militärischen Zwecken erbaut worden, um Truppentransporte und -versorgung auf kürzestem Weg nach Memel zu ermöglichen. Das Foto ist für Herrn Prof. Hertel ein aufschlussreiches Zeitdokument – so sehen wir es auch und waren erfreut, dass er es uns zur Veröffentlichung überließ. Das Bild erschien bereits in der letzten Folge – der Kommentar musste leider aus Platzgründen ausfallen und wird hiermit nachgeholt –, aber aus der Unterschrift war ja ersichtlich, um welches Ereignis es sich handelte. Vielleicht entdeck­ten schon ehemalige Elchniederunger einige Personen aus ihrem damaligen Lebenskreis. Für alle Rautersdorfer dürften auch die gut erkennbaren Häuser interessant sein, es ist schon möglich, dass jemand sein Wohn- oder Elternhaus auf dem Foto findet. Die Einsenderin ist für Herrn Prof. Hertel eine ideale Informantin, denn sie stammt aus Altdümpelkrug, einem Nachbarort von Rautersdorf, wurde in der schönen Kirche getauft und besuchte die 1938 eingeweihte Schule in Rauterskirch.

Für Herrn Prof. Dr. Hertel war auch ein Brief bestimmt, der einem an mich gerichteten Schreiben beilag und den ich ihm sofort zusandte. Er wird sehr überrascht gewesen sein, denn der Brief kommt aus Amerika, die Absenderin ist für uns eine liebe alte Bekannte, Frau Frieda Lukner aus Orlando, Florida. Das an ihn gerichtete Schreiben enthält viel Wissenswertes über die Elchniederung und speziell über die „Rauterin“, deren Namen ja auch Rauterskirch trägt. Das war der Anlass, dass Frau Lukner sich nach langer Zeit wieder bei uns gemeldet hat, und so freue ich mich über ihre Grüße und guten Wünsche. Und ganz besonders für diese nette Mitteilung, die ich wörtlich wiedergeben will: Frau Lukner schreibt: „Seit einiger Zeit korrespondiere ich mit einem Herrn Robert Dietrich, der in Frankenmuth, Staat Michigan, wohnt und 103 Jahre alt ist. Er schrieb mir, dass er in vielen ostpreußischen Städten gewesen ist und nach seiner Heirat in den Jahren 1932 bis 1945 im südöstlich von Königsberg gelegenen Legden gewohnt hat. Seine Briefe sind alle in kleiner, dichter Handschrift verfasst, enorm! So habe ich ein gutes Vorbild und muss mich noch elf Jahre dran halten, um ihm gleich zu tun!“ Sie haben Recht, liebe Frau Lukner, und das macht nicht nur mir, sondern sicher auch vielen älteren Leserinnen und Lesern Mut. Vielleicht erinnern sich noch ehemalige Bewohner von Legden an den alten Herrn, der auch in diesem sagenhafter Alter Ostpreußen nicht vergessen hat. Die Anschrift von Frau Lukner ist 2349 Cilantro Dr., Orlando, FL 32837, USA.

„Du sollst nicht mehr allein sein!“ war einmal der Leitsatz, unter dem die Ostpreußische Familie vor nunmehr 37 Jahren von der Redaktion des Ostpreußenblattes ins Leben gerufen wurde – er gilt noch heute und ist besonders für die Älteren wichtig, deren Familien- und Freundeskreis sich schon sehr gelichtet hat. Oder die durch Umzug in ein Heim das vertraute Umfeld verlieren. Das bewegt auch unsern eifrigen Schreiber Frank Schneidewind aus Olpe, der einen ganz bestimmten Fall vor Augen hat. Er schreibt: „Viele betagte Heimatvertriebene leben aus gesundheitlichen Gründen in Senioreneinrichtungen. Durch den Wechsel des Wohnsitzes sind oft jahrzehntelange Kontakte mit Landsleuten abgebrochen, die Senioren fühlen sich einsam, können keine heimatlichen Veranstaltungen und Treffen mehr besuchen, der Briefwechsel ist eingeschränkt. So bleibt in vielen Fällen nur der Telefonkontakt mit Landsleuten, wir müssen den Senioren aus den Heimatprovinzen dankbar sein für die vermittelten Kenntnisse über die damaligen Verhältnisse und Lebensweise. Darum erfreuen wir sie mit Besuchen und Telefongesprächen.“ Frank Schneidewind hat einen bestimmten Fall vor Augen, den er unseren Lesern vorlegt: „Seit Februar lebt auch die 87-jährige Frau Christel Schneider verwitwete Schalla geborene Jerczembek in einem Seniorenheim im Harz. Ihr Heimatort ist Rauschken, Kreis Osterode. Die geistig sehr rege Frau erinnert sich an viele Begebenheiten in der ostpreußischen Heimat, weil sie bis 1945 Versicherungsbeiträge in den umliegenden Ortschaften kassierte. Sie kann auch erschöpfende Auskunft über die damaligen Verhältnisse geben. Das könnte für Menschen aus ihrem Kirchspiel Passenheim wichtig sein.“ Besonders aber für sie selber, denn sie wird dankbar sein, wenn sie sich mitteilen kann. Deshalb regt Herr Schneidewind unsere Landsleute an, sich bei Frau Schneider zu melden. Die alte Dame weiß von dieser Aktion nichts, es soll eine Überraschung für sie sein – so wünscht es Herr Schneidewind. (Anschrift: Christel Schneider, Seniorenheim St. Jacobi, Fuchshallerweg 10 in 37520 Osterode/Harz, Telefon 05522/74344.)

Eure Ruth Geede


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