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14.08.10 / Die beiden Ottos / Das Leben der Großväter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-10 vom 14. August 2010

Die beiden Ottos
Das Leben der Großväter

In seinem Roman „Wie Großvater den Krieg verlor“ nähert sich der Stuttgarter Gerdt Fehrle, Jahrgang 1961, nach seinem Buch „Der Fall von Paris“ diesmal über die familiäre Überlieferung dem Thema Zweiter Weltkrieg. Entstanden ist ein Werk über die Vorfahren, das diese bodenständigen Schwaben als Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts und seiner Verwerfungen heraufbeschwört. Zwei Großväter, die Urgroßmutter, „Ahne“ genannt, und ihre zahlreichen Nachkommen sind mit ihrem Einfallsreichtum und ihren schweren Herausforderungen im Leben eigentlich Handlung genug. Das Buch weist jedoch über eine rein private Chronik hinaus: Grausige Kriegsanekdoten, wie sie abertausendfach das Erzählen in den Familien prägen, zeichnen in der Familiensaga des Konstanzer Literaturförderpreisträgers ein ans Absurde grenzendes Bild des Zweiten Weltkrieges.

Fehrle lässt das Schicksal Regie führen im Leben der beiden Ottos, seiner beiden Großväter, über deren aufgesogene Erinnerungen sich Fehrle der Vergangenheit nähert. So verpasst der eine, wegen seines Geburtsjahrs und zur Unterscheidung „Otto Nullacht“ genannt, am 30. Januar 1945 nur knapp die Evakuierung aus Ostpreußen mit der „Wilhelm Gustloff“, entkommt dem Einmarsch der Roten Armee stattdessen auf dem Kreuzer „Admiral Hipper“ und somit auch der Versenkung der „Gustloff“. Gewürzt wird diese Sammlung schicksalhafter Wendepunkte von mitunter schwarzem Humor und der nüchtern zupackenden Art der Romanhelden – die erste Fliegerbombe fällt auf München: „,Jedzd hemmer da Grieg vrlora‘, stöhnte Otto Elf. Wie bitte? Was sagte er da? Hatte sie richtig gehört? Am liebsten hätte die Gertrud ihm sofort eine geschmiert. So etwas sagte man nicht. So etwas dachte man nicht einmal.“

Die schwäbische Mundart und viel Lokalkolorit verknüpfen authentisch große Haupt- und Staatsaktionen der Geschichte mit dem persönlich gefärbten Erleben: „Diese Geschichte war, wie vieles von Otto Nullacht, brutal. Sie war alles andere als geeignet für ein Kind von vier oder fünf Jahren. Sie verfolgte das Kind bis in seine Träume. Dem Knaben kam es nicht zu Bewusstsein, aber plötzlich war wieder etwas von ihr, der Ahne, da. Dabei hatte Otto halt so dahergeschwätzt, wie die Älteren eben daherschwätzen. Viel erlebt hatten sie ja. Als Opfer wie als Täter. Und über all dem wie ein böser Schatten ein Name. ,...drr Hiddler...‘.“ In dem Maße, in dem Fehrle eine gewisse Distanz zum eigenen familiären Überlieferungskontext gelingt, ist er zugleich in Versuchung, die Ereignisse im Rückblick wertend einzuordnen – so geht manches an Wirkung verloren. Wer sich an dem einen oder anderen Klischee sowie dem Spiel um sehr spezielle Wahrnehmung und Legende nicht stört, der findet in „Wie Großvater den Krieg verlor“ nicht nur den Zusammenhang des Einzelnen mit seiner Zeit wieder, sondern auch eine Episodenerzählung, die sich spannend liest. Sverre Gutschmidt

Gerdt Fehrle: „Wie Großvater den Krieg verlor“, Buchbäcker Verlagsgmbh, München 2010, broschiert, 233 Seiten, 13,90 Euro


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