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14.08.10 / Liberale müssen Christen sein / Der Philosoph Marcello Pera über das Christentum als »Seele Europas«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-10 vom 14. August 2010

Liberale müssen Christen sein
Der Philosoph Marcello Pera über das Christentum als »Seele Europas«

Päpste schreiben eigentlich generell keine Vorworte zu Büchern. Dieses Mal hat Papst Benedikt XVI. eine Ausnahme gemacht. Denn mit Marcello Pera, dem ehemaligen Präsidenten des italienischen Senats und Philosophieprofessor, verbindet ihn eine längere Freundschaft. Der berühmte Briefwechsel dieser beiden Männer erschien 2005 als Buch. Es sorgte für reichlich Diskussionsstoff. Seitdem kennt man den italienischen Philosophen, der von 2001 bis 2006 das zweit-höchste Staatsamt Italiens bekleidet hat, weit über die Grenzen Italiens hinaus. Als Professor für Philosophie wirkte der 1943 geborene Pera lange Jahre in Catania und Pisa, bevor er Vizepräsident der Partei „Forza Italia“ wurde. Weniger die politischen als die philosophischen Seiten von Marcello Pera lernt der Leser in „Warum wir uns Christen nennen müssen“ kennen.

In einem Streifzug durch die Philosophie analysiert der Autor die großen liberalen Denker und kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis. Wer den Liberalismus bisher als kirchenkritisch oder auch atheistisch eingeordnet hat, muss nun neu denken. Christ müsse sich auch ein Liberaler nennen, meint Pera, weil das christliche Gottes- und Menschenbild dem Liberalismus erst sein Fundament gibt. Das Christentum sei so auch für den Liberalen die „Seele Europas“ schlechthin.

Pera verbindet mit dieser Einordnung einen flammenden Appell: Wenn Europa seine christliche Prägung (wie derzeit) verleugne, dann verliere es seine „Identität“. Multikulturalität zum Prinzip erhoben, könne Europa niemals eine feste Grundlage geben. Geradezu als Bestätigung für diese These des Autors wirkt das jüngste Straßburger Kruzifixurteil mit dem angestrebten Verbot von religiösen Symbolen in öffentlichen Räumen.

Darüber streiten ließe sich, wer oder was Pera unter einem Christen versteht. Dies ist sicher nicht in einem engen oder rein religiösen Sinn gemeint. Pera geht es eher um das Wertefundament unseres Kulturraumes, das ohne das Christentum seine Antriebskräfte und sein Fundament verlieren würde. Und in dieser Thematik trifft er sich mit Papst Benedikt, der als Professor und Kardinal über die Krise des europäischen Werteraumes mehrere Schriften verfasst hat. Benedikt schätzt Pera für dessen philosophische Brillanz und seine „nüchterne Rationalität“. Sein Vorwort kommt daher einem Ritterschlag gleich, wenn er Peras „umfassende philosophische Information und die Kraft seiner Argumentation in dieser Stunde Europas“ lobt.          Hinrich E. Bues

Marcello Pera: „Warum wir uns Christen nennen müssen – Plädoyer eines Liberalen“, Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2010, gebunden, 224 Seiten, 19,90 Euro


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