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21.08.10 / Mit Kant die Scharia legitimiert / Kant-Medaille: Berlin ehrt saudischen Prinzen für Verdienste um die Wissenschaften

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-10 vom 21. August 2010

Mit Kant die Scharia legitimiert
Kant-Medaille: Berlin ehrt saudischen Prinzen für Verdienste um die Wissenschaften

Weil der saudische Prinz Salman bin Abdulaziz Al-Saud in seiner Heimat die Wissenschaft fördert und Berliner Firmen Geschäfte in seiner Heimat vermittelt hat, erfand die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften die Kant-Medaille als Dank.

Seit der 70-jährige saudische Prinz Salman bin Abdulaziz Al-Saud von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mit der Kant-Medaille geehrt wurde, formiert sich Kritik. Saudi-Arabien ist eine der letzten absoluten Monarchien der Erde, die wahabitische Staatsreligion eine der strengsten Auslegungen des Islam. Der im Westen gern als liberal eingestufte Prinz habe wenig mit dem großen preußischen Denker der Aufklärung gemein, kritisiert eine wachsende Internet-Gemeinde. Menschenrechtlern bereiten indes die Zustände im arabischen Land ernste Sorgen.

„Wissenschaft trägt maßgeblich zur Schaffung und Sicherung unserer Lebensgrundlagen im weitesten Sinne bei und erfüllt damit eine zutiefst humanitäre Aufgabe. Wer sich um die Wissenschaft verdient macht, macht sich damit auch um den humanitären Gedanken insgesamt verdient“, so Günter Stock, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, in der Rede zum Festakt der erstmaligen Vergabe der Kant-Medaille. Sie ist benannt nach Königsbergs großem Sohn Immanuel Kant (1724–1804), dessen Name untrennbar mit dem Begriff der Aufklärung verbunden ist, der Epoche, die in Europa den geistigen Schwenk zur Moderne, weg vom Aberglauben hin zur Vernunft einläutete. Der derart geehrte Prinz wird als sechster in der Thronfolge Saudi-Arabiens gehandelt. Prinz Salman gilt nicht nur in Berlin als Türöffner zum Wissenschafts- und Gesundheitssektor seiner Heimat, wo er offiziell das Amt des Gouverneurs der Hauptstadt Riad bekleidet. Sein Einfluss auf ehrgeizige Modernisierungs-pläne ist nicht auf das Amt beschränkt: Er gilt als Schlichter interner Streits im Königshaus und zählt zu den mächtigsten Männern im Land.

Anfang des Jahres bereiste Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf („Die Linke“) mit einer Delegation Saudi-Arabien und verhandelte mit dem Prinzen. Hintergrund: Das Königshaus investiert massiv in den Gesundheitssektor und Berlin versteht sich als Zentrum der Gesundheitsindustrie. Die Gespräche über eine Zusammenarbeit waren auch bei regenerativen Energien und Wasser erfolgreich. Die Al-Imam-University Riad − deren Motto „Die Universität ist eine Institution der Scharia und der Kultur gemäß Scharia“ lautet − bekommt von Berliner Firmen einen millionenschweren medizinischen Campus eingerichtet. Als Dank für diesen Auftrag verlieh Senator Wolf dem Prinzen die Ehrenplakette der Berlin-Brandenburgischen Akademie. Zum Gegenbesuch des Prinzen ersann die Akademie − deren Motto „exzellent, integrativ, unabhängig“ ist − diese neue Kant-Medaille, für deren Verleihung laut Akademie „kein regelmäßiger Turnus vorgesehen“ ist.  Ausdrücklich ehrte die Akademie den Saudi als „Universitätsgründer“ und „Mäzen“ und teilte auf Anfrage dieser Zeitung nach den Gründen der Verleihung mit, der Prinz habe im Gesundheitsbereich große Verdienste. Demnach darf er sich stellvertretend für sein Land geehrt fühlen: „Es ist eine Region, die für die Wissenschaftsentwicklung der Zukunft von großer Bedeutung sein wird“, so die Akademie-Sprecherin.

Auf die Frage der PAZ, wie sich eine Medaille, die sich auf den Aufklärer Kant beruft, mit dem derzeitigen Stand von Meinungs- und Religionsfreiheit in Saudi-Arabien vereinbaren lasse, sagte eine Akademie-Sprecherin: „Ich sehe da eigentlich kein Problem.“

Seit 1962 ist Prinz Salman Gouverneur von Riad, wo immer wieder selbst Gastarbeiter wegen nicht-islamischer Religionsausübung verhaftet werden. So stürmte laut Internationaler Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) die Religionspolizei 2005 eine private Hausandacht des äthiopischen Christen Yemane Gebre Loul in Riad. Fünf Teilnehmer wurden mehrere Tage ohne rechtliche Vertretung inhaftiert. Glück-licherweise war ihnen keine Bekehrungen zum Christentum nachzuweisen, denn darauf steht die Todesstrafe.

Brutale Übergriffe der Religionspolizei sind in Riad Alltag. Gastarbeiter, die in irgendeiner Form eine andere Religion als den vorgeschriebenen wahabitischen Islam ausüben, werden meist nach kurzer Zeit des Landes verwiesen. Die Todesstrafe ist mit durchschnittlich zwei Hinrichtungen pro Woche im Land (Stand: 2008) laut amnesty international nicht nur üblich, ihre Anwendung nehme zu, warnen Menschenrechtler. Mehr als die Hälfte der Hingerichteten sind Ausländer. Oft werden sie nach unfairen Prozessen ohne Rechtsbeistand enthauptet – anschließende Kreuzigung inklusive. Meist, so berichten Menschenrechtler, treffe es Gastarbeiter aus armen Ländern. Regelmäßig werden demnach Geständnisse unter Folter abgepresst. Abgesehen von solch praktischen Widersprüchen zur Ethik Kants im Verantwortungsbereich des Prinzen sind auch die geistigen Berührungspunkte bestenfalls gering. Nach wahabitischer Lesart ist der Koran alleinige Quelle von „Aufklärung“ und „Licht“.             Sverre Gutschmidt


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