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21.08.10 / Entmachtung der Parlamente / Brüssel erzürnt über slowakisches Nein zur Griechenland-Hilfe − Folgenreiches Ja zum Euro-Rettungsschirm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-10 vom 21. August 2010

Entmachtung der Parlamente
Brüssel erzürnt über slowakisches Nein zur Griechenland-Hilfe − Folgenreiches Ja zum Euro-Rettungsschirm

Die slowakische Regierung verweigert Hilfen für Athen, stimmt jedoch dem Euro-Rettungsschirm zu. Allerdings beschneidet gerade dieser die Rechte der nationalen Parlamente.

Das sei ein „Bruch der Solidarität in der Euro-Gruppe“, grollte EU-Währungskommissar Olli Rehn gen Pressburg (Bratislava), wo das dortige Parlament sich gegen eine Beteiligung am EU-Hilfspaket für Griechenland ausgesprochen hatte. Doch dort zeigte man sich vom lautstark geäußerten Unmut aus Brüssel unbeeindruckt. „Eine Solidarität der Armen mit den Reichen, der Verantwortungsvollen mit den Verantwortungslosen, der Steuerzahler mit den Bankbesitzern und -managern ist keine wahre Solidarität“, konterte der slowakische Finanzminister Ivan Miklo. Und die neue slowakische Ministerpräsidentin Iveta Radicová betonte, dass sie gerade den Slowaken aufgrund des aktuellen Haushaltsdefizit von sieben Prozent ein weiteres Sparprogramm verordnet hat. Dabei hätten die Slowaken aufgrund struktureller Probleme in den letzten Jahren schon viele Sparprogramme durchleiden müssen. „Und niemand hat uns geholfen. Es waren unsere Bürger, die die Lasten tragen mussten, und es war nicht einfach. Wie sollte ich also unseren Bürgern erklären, dass wir nun denen helfen sollen, die nicht bereit sind, selbst etwas zu tun?“

Zwar ist der slowakische Anteil am EU-Hilfsprogramm für Athen mit 816 Millionen Euro nicht groß, doch das Nein aus Pressburg ist für Brüssel auch mehr ein politisches als ein finanzielles Desaster. Dass ein nationales Parlament die zuvor gemachten EU-Zusagen seiner Regierung boykottiert, ist für die EU-Bürokraten ein Affront. Da zählt es auch nicht, dass die Zusage der damaligen slowakischen Regierung bereits von Beginn an unter Vorbehalt gemacht wurde, denn schließlich wisse man nicht, so der damalige slowakische Ministerpräsident Robert Fico, wer nach den bevorstehenden Wahlen sein Land regiere. Die Abgeordneten des Sozialdemokraten Fico blieben übrigens am Tag der Entscheidung dem Parlament geschlossen fern, so dass Radicovás Regierung keine Probleme hatte, ihr Nein zur Hilfe für Athen trotz zwei Abweichlern in den eigenen Reihen durchzubringen. Auch die Sozialdemokraten wollen im eigenen Land nicht gern als die dastehen, die Millionen ins bei den Slowaken wenig beliebte, reichere Griechenland überweisen.

Derweil brütet man in Brüssel, wie man die Slowaken disziplinieren könne. Juristische Mittel hat man jedoch keine. Weder finanzielle Sanktionen noch eine Rüge sind wirklich möglich, schließlich hat das Parlament in Pressburg nur seine demokratischen Rechte wahrgenommen.

Immerhin lässt Rehn seinen Sprecher sein Erstaunen darüber aussprechen, dass die Slowakei zwar die Beteiligung an den Griechenland-Hilfen ablehne, sich aber gleichzeitig am allgemeinen Rettungsschirm für die Euro-Staaten beteiligen wolle, schließlich würde in beiden Fällen das gleiche Prinzip vorliegen. Zudem muss Pressburg mit 4,4 Milliarden Euro für den Euro-Stabilisierungsfonds (EFSF) viel mehr beisteuern als es bei der Griechenlandhilfe der Fall gewesen wäre. Diese Kritik war den Slowaken keine Reaktion wert, denn schließlich profitieren sie im Falle eigener Zahlungsprobleme direkt vom EFSF, während das Geld an Athen einfach weg wäre.

Allerdings hätte auch die Regierung Radicovás sich den Aufbau des EFSF, der bereits am 7. Juni in Luxemburg als Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts mit dem offiziellen Namen „European Financial Facility Societé anonyme“ gegründet wurde, vor ihrem Ja näher anschauen sollen. Denn die „Zweckgesellschaft“ EFSF ist neben dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU-Kommission organisatorischer Träger des 750 Milliarden Euro schweren Euro-Rettungsschirms. Und angesichts der Tatsache, dass sich Pressburg auch bei EU-Entscheidungen offenbar gern eine eigene Meinung vorbehält, ist der EFSF nicht im Sinne der Slowaken.

Der Zweck der mit einem gesetzlichen Mindestkapital von 31000 Euro ausgestatteten Gesellschaft ist es, in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Euro-Staaten Geld zu beschaffen. Wobei dies entweder über einen direkten Kredit des EFSF oder durch eine Bürgschaft des EFSF bei Investoren geschehen kann. Allerdings verfügt die Zweckgesellschaft kaum über eigene Mittel und muss sich diese daher selbst beispielsweise durch Ausgabe von Anleihen am Kapitalmarkt beschaffen. Dies ist nur möglich, weil die 16 Inhaber der Aktiengesellschaft, also alle 16 Länder, in denen der Euro Zahlungsmittel ist, für den EFSF bürgen und zwar in Höhe von insgesamt maximal 440 Milliarden Euro.

Hier hatte es schon in Deutschland Aufregung darüber gegeben, dass sich der deutsche Anteil in Höhe von 27,1 Prozent der 440 Milliarden Euro, also 119 Milliarden Euro, im Falle von Engpässen anderer Partnerländer noch weiter erhöhen kann. Dies gilt auch für die slowakische Beteiligung. Noch interessanter ist aber, dass die nationalen Parlamente mit Zustimmung zum EFSF alle weiteren Rechte aus der Hand gegeben haben. Denn ob und wann welches Land zu welchen Bedingungen Geld über die Zweckgesellschaft bekommt, entscheidet die EU-Kommission zusammen mit dem Verwaltungsrat der Zweckgesellschaft, in den jede nationale Regierung einen Vertreter entsandt hat. Dieser soll aber vor allem im Interesse des zum Darlehensnehmer avancierten Mitgliedsstaates entscheiden. Die Parlamente kommen dann also nur noch im Krisenfall zum Zuge, so denn die Bürgschaften greifen und sie ihren Wählern erklären müssen, wieso sie die dann fälligen Milliarden über den dann laufenden Haushalt finanzieren sollen. Ob der EFSF, in dem die Aktionäre zugleich auch Bürgen und potenzielle Darlehensnehmer sind, allerdings überhaupt am Kapitalmarkt Investoren findet, die dem merkwürdigen Konstrukt gutes Geld geben wollen, wird sich erst zeigen, wenn tatsächlich ein Euro-Land zum Bittsteller wird. Rebecca Bellano


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