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21.08.10 / IWF-Gelder verweigert / Ungarn will wirtschaftliche Selbstbestimmung zurückgewinnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-10 vom 21. August 2010

IWF-Gelder verweigert
Ungarn will wirtschaftliche Selbstbestimmung zurückgewinnen

Dass bei den ungarischen Parlamentswahlen im April die seit 2002 regierenden Sozialisten hinweggefegt wurden, hatte wesentlich auch mit dem Frust über das vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU 2008 als Bedingung für einen Notkredit auferlegte drastische Sparprogramm zu tun. Die wirtschaftlichen Kennzahlen haben sich zwar verbessert, gehören aber weiterhin zu den schwächsten in der EU: Für 2010 werden 4,6 Prozent Inflation, 10,8 Prozent Arbeitslosigkeit und ein „Null-Wachstum“ erwartet. Und nun versucht Ministerpräsident Viktor Orbán, dessen Partei Fidész über eine Zweidrittel-Mehrheit verfügt, sich sogar gegen die Diktate von außen aufzulehnen.

Eine der ersten Maßnahmen war das Verbot von neuen Fremdwährungskrediten, und im Juli wurde auch eine Bankensteuer beschlossen. Orbán verweist darauf, dass die Banken mit Fremdwährungskrediten viel verdient haben, während vielen Hausbauern, denen sie die zinsgünstigen Kredite aufgedrängt hatten, nun die Zwangsversteigerung droht, weil sie wegen der Wechselkursänderungen die Rückzahlungen nicht mehr schaffen. Für dieses Problem hat Orbán aber noch kein überzeugendes Rezept.

Die Bankensteuer soll dafür sorgen, dass das Budget-Defizit in diesem Jahr selbst ohne weitere Sparmaßnahmen auf die im Beistandsvertrag diktierten 3.8 Prozent begrenzt bleibt. Die Verhandlungen mit dem IWF über weitere Kredit-Tranchen sind damit geplatzt. Das brachte den Forint zwar kurzfristig unter Druck, aber trotzdem wurde die jüngste Staatsanleihe dreifach überzeichnet. Orbán will den Kreditvertrag, der im Oktober ausläuft, auch nicht verlängern, weil Ungarn seine „verlorene wirtschaftliche Selbstbestimmung wiedererlangen“ wolle. Statt weiterer Belastungen soll die Wirtschaft 2011 sogar durch Steuerentlastungen angekurbelt werden.

Ob er diesen Kurs beibehalten kann, wird sich zeigen. Beobachter befürchten, dass der IWF an Ungarn „ein Exempel statuieren“ könnte, um andere Kleine von Aufmüpfigkeit abzuschrecken – bei Großen zeigt man sich in Fragen der Budget-Disziplin ja bekanntlich großzügiger. Orbán hat aber einen weiteren Grund, den starken Mann zu spielen: Am 3. Oktober sind Kommunalwahlen, und hier geht es darum, auch auf kommunaler Ebene und vor allem in Budapest die alten Seilschaften aus ihren Machtpositionen zu verdrängen. Umbesetzungen in Ministerien und Staatsbetrieben sind bereits im Gange. Ein neues Gesetz unterstellt das staatliche Fernsehen – bisher eine rote Hochburg – einer Behörde, und auch ein neues Mediengesetz wurde angekündigt.

Kein Wunder, dass die „veröffentlichte Meinung“ gegenüber Ungarn heute zunehmend feindselige Töne anschlägt und einen „wachsenden Antisemitismus“ hervorkehrt. Tunlichst verschwiegen wird dabei, dass die Stimmungslage primär eine Reaktion auf die letzten acht Jahre ist, in denen eine Clique „sozialistischer“ Millionäre mit internationalen Verflechtungen das Land beherrschte.           R. G. Kerschhofer


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