29.03.2024

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21.08.10 / Den Feldweg entlang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-10 vom 21. August 2010

Den Feldweg entlang
von Hannelore Patzelt-Hennig

Richtig gesehen begann der Weg zu unseren Feldern schon auf der Hofmitte hinter der großen Kastanie. Von dort an zeichnete sich deutlich ein Trampelpfad ab, der zwischen der Scheune und dem erdbedeckten Keller links abbog, wo er bald zu einem Weg wurde. Dieser Weg führte zunächst an einem kleinen Kirschbaum vorbei, dessen Früchte zu gegebener Zeit so leicht zu erreichen waren, dass man sich, wenn man daran vorbei kam, die Taschen damit füllte. Ein Stück weiter rechts lag ein behäbiger Strohhaufen. Das war der Punkt, bis zu dem der Hofhund seine Leute begleitete, wenn sie aufs Feld gingen. Bis hierher kam er mit, aber keinen Schritt weiter. Stattdessen blick-te er den Davongehenden lange nach. Solange, bis sie die kleine Erhebung überschritten hatten, die der Weg nach längerem ebenem Verlauf nahm. Unser Feldweg war, wie wohl alle Feldwege, von unterschiedlicher Betriebsamkeit gekennzeichnet. Wechselnd wie auf den Ländereien rundum mit dem Stand des Jahres.

Wenn die Schneeschmelze das gleichmäßige Weiß des Winters aufhob, schaute man von hier aus zunächst auf fahle Wiesen und rot lehmige Ackerflächen, auf denen sich hier und da das spärliche Grün der Wintersaat abzeichnete, das bald zunahm. Nicht lange darauf grünten auch die Wiesen und verwandelten sich dann in wahre Butterblumenteppiche, ehe das Gras höher und höher wuchs. Mit anderen Blumen durchwirkt erreichte es um Johanni seine Schnittreife. Nun blickte man bald auf gradlinig daliegende Grasschwaden und dann auf geordnet aufgereihte Heukepse, bis die Leiterwagen den Feldweg entlang gerumpelt kamen und das Heu in die Scheunen holten. Auf dem Feldweg zeichnete sich ab, wenn die hohen Fuder darauf schwankten. Auch von den sorgfältigst gestakten rutschten hier und da Halme herunter. Beinah ehrfurchtsvoll wurde das Heranwachsen und Reifen des Getreides verfolgt: Wenn die Halme höher ragten und sich die Ähren durch erste noch leicht verborgene Grannen abzeichneten, stieg manches Gebet um ein gutes Gedeihen des Kornes zum Himmel. Stille Freude erfüllte die Bauern, wenn sie vom Feldweg aus sahen, wie die Blütenschwaden über die Felder zogen.

Mit den Reifetagen hingegen ging ein Bangen mit, dass Hagelschlag den guten Stand des Getreides verderben oder zu viel Regen zu einer Missernte führen könnte. Derartig niederschmetternde Bilder zeichneten sich rechts und links des Feldwegs mitunter ebenfalls ab. Von allem Geschehen hier draußen wog am meisten das Einbringen des Korns. Wenn die Sensen durch den reifen Roggen rauschten und die Schwaden mit den schweren Ähren zu Boden sanken, wo sie sogleich zu Garben gebunden wurden, die bald zu Hocken aufgerichtet dastanden, zwang der Anblick solcher Felder Beteiligte wie Beschauer zu wehrhafter Andächtigkeit; denn Korn war Brot, und Brot war heilig. Und wenn die riesigen Fuder mit den Garben auf dem Feldweg den Scheunen entgegen schwankten, ging eine Befriedigung mit, wie sie beim Einbringen keiner anderen Ernte zu spüren war. Den Feldweg entlang knarren auch die Hehlwagen mit den gerodeten Kartoffeln und den Rüben zu gegebener Zeit. Und wenn die roten und gelben Runkeln in die Keller gebracht wurden, waren am Feldweg Klee, Hahnenfuß, Mohn, Maßliebchen und Schafgarbe längst verblüht, so dass nur noch diese Erntefuhren einen Farbschimmer des zurückliegenden Sommers boten.


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