29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.08.10 / Böll als »Notlösung« / Wie der Literaturbetrieb konservative Schriftsteller an den Rand drängte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-10 vom 21. August 2010

Böll als »Notlösung«
Wie der Literaturbetrieb konservative Schriftsteller an den Rand drängte

Der 1962 in Barth in Vorpommern geborene Thorsten Hinz ist einer der prononciertesten Autoren der „Jungen Freiheit“. Im Jahr 2004 erhielt er den Gerhard-Löwenthal-Preis. Sein Büchlein „Zurüstung zum Bürgerkrieg“ war eines der erfolgreichsten in der Reihe „Kaplaken“ bei der Edition Antaios. In dem Band „Literatur aus der Schuldkolonie“ wirft Hinz nun einen subjektiven Blick auf das Schreiben in Deutschland nach 1945.

In acht Kapiteln präsentiert Hinz seine Thesen. Die tonangebenden Literaten und Literatenzirkel nach 1945 wie Günter Grass, Alfred Andersch, Heinrich Böll, Wolfgang Koeppen und die Gruppe 47 kommen bei dem scharfzüngigen Autoren nicht unbedingt gut weg. Deutlich größere Sympathie hegt Hinz für die zwei verhinderten Alternativen Ernst von Salomon und Gerd Gaiser.

Mit besonderem Genuss liest man die kleinen Boshaftigkeiten am Rande, zum Beispiel, wenn Hinz auf Parallelen in der Biographie von Franz Schönhuber und Günter Grass hinweist. Der Autor der „Blechtrommel“ habe auch aus Karrieregründen seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS unterschlagen: „Für Franz Schönhuber, der zu Beginn der 1980er Jahre Stellvertretender Intendant des Bayerischen Rundfunks war, markierte das Bekenntnisbuch ‚Ich war dabei‘ das Ende einer erfolgreichen beruflichen Karriere und schließlich jeglicher Gesellschaftsfähigkeit. Ein vergleichbares Eingeständnis hätte Grass den Nobelpreis gekostet.“ Der Danziger, so könnte man neudeutsch formulieren, wählte für sein „Outing“ einfach das bessere „Timing“.

Auch Alfred Andersch ging den Weg der Anpassung. Auf der zweiten Tagung der Gruppe 47 im November 1947 in Bannwald verlas er seinen Essay „Literatur in der Entscheidung“. Der deutsche Schriftsteller, hieß es dort, würde auf Jahrzehnte ein „Angehöriger der intellektuellen Schicht eines halbkolonialen Volkes“ sein. Letztlich passte sich Andersch aber diesen halbkolonialen Verhältnissen an. Sein „rascher Konformismus war repräsentativ für die Gruppe 47“.

Dass „konservative“ Schriftsteller wie Ernst von Salomon („Der Fragebogen“) und Gerd Gaiser („Die sterbende Jagd“, „Schlussball“) in der noch jungen Bundesrepublik bald in Vergessenheit gerieten, lässt sich auch mit dem schwindenden Einfluss einer bestimmten Generation von Literaturkritikern begründen, für die Namen wie Hans Egon Holthusen, Günter Blöcker und Friedrich Sieburg stehen. Der Literaturbetrieb hat dafür gesorgt, dass Gaiser in Vergessenheit geriet, während Heinrich Böll zum repräsentativen Dichter der Bundesrepublik avancierte. Später sollte sich Marcel Reich-Ranicki dazu bekennen, er habe „das seinige getan, um mitzuwirken bei der Schaffung einer anderen Galionsfigur, die, ich will es offen sagen, ohne dem Verstorbenen ein Unrecht anzutun, nur eine Notlösung war. Ich meine Heinrich Böll.“

Heinrich Böll, dieser „Dogmatiker des Guten“, trug laut Hinz dazu bei, die Leerstelle, die das fehlende Staatsethos der Bundesrepublik und das zerstörte Nationalgefühl hinterließen, mit links-emanzipatorischer, sozial- und antistaatlicher Ideologie zu füllen.

Hinz hat eine etwas andere Literaturgeschichte der Bundesrepublik geschrieben. Auf erneute Lektüre der modernen „Klassiker“ wie Böll oder Grass macht sie gewiss keine Lust. Aber vielleicht nimmt der eine oder andere ein Buch von Gaiser oder Ernst von Salomon in die Hand und sinnt darüber nach, was es für die politische Geschichte der Bundesrepublik bedeutet hätte, wenn diese Autoren nicht mit Hilfe eines linksgestrickten Literaturbetriebs, der sich die lukrativen Pöstchen in Zeitungs- und Hörfunkredaktionen zuschob, im Giftschrank verschlossen worden wären.       Ansgar Lange

Thorsten Hinz: „Literatur aus der Schuldkolonie – Schreiben in Deutschland nach 1945“, Kaplaken, kartoniert, 96 Seiten, 8,50 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren