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28.08.10 / Fast ein Bürgerkrieg / Blutiger Konflikt in Türkisch-Kurdistan − Liquidierungen und wohl auch Giftgaseinsatz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-10 vom 28. August 2010

Fast ein Bürgerkrieg
Blutiger Konflikt in Türkisch-Kurdistan − Liquidierungen und wohl auch Giftgaseinsatz

Vor wenigen Tagen schockierte ein hoher türkischer Militär mit dem Eingeständnis, auf Befehl von „ganz oben“ seien in den 90er Jahren missliebige Kurden ermordet worden. Tatsächlich dauert die Unterdrückung der Kurden in der Türkei bis heute an.

Durch das jüngste Bekenntnis des türkischen Ex-Admirals Atilla Kiyat wurde öffentlich, dass Ankara in den 90er Jahren gezielt kurdische Journalisten und Systemkritiker liquidieren ließ. Der genaue Umfang ist unklar, doch gelten über 3000 Morde an Kurden in dieser Zeit als unaufgeklärt. Die jetzige Regierung von Recep Tayyip Erdogan schweigt bislang und wischt alle Vorwürfe mit dem Hinweis auf PKK-Propaganda vom Tisch.

In den 90er Jahren, als der Konflikt auf dem Höhepunkt war, regierten unter anderem Ministerpräsidentin Tansu Ciller und Ex-Präsident Süleyman Demirel. Schon mit dem Militärputsch von 1980 setzte eine verstärkte Verfolgung militanter Kurden ein. Verhaftungswellen durchzogen das Land, viele flohen in Nachbarstaaten. Der von den Kurden als Volksheld gefeierte Abdullah Öcalan wurde 1999 in Kenia aufgegriffen, wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und später zu lebenslänglich begnadigt.

Mit 25 bis 30 Millionen Menschen sind die Kurden das größte Volk der Erde ohne eigenen Staat. Viele besiedeln auch Gebiete im Irak, im Iran und in Syrien. Die größte Gruppe lebt in der Türkei. Nach Schätzungen beträgt der Anteil der Kurden an der dortigen Gesamtbevölkerung von etwa 73 Millionen 14 bis 20 Prozent. Genaue Zahlen liegen nicht vor, da seit der Volkszählung von 1987 nicht mehr nach der Muttersprache gefragt wird. Außerdem gibt es Assimiliation, weil viele Kurden schon von 1938 an zwangsweise türkische Namen verpasst bekamen und auch ihre Ortschaften umbenannt wurden.

Die Diskiminierung dauert bis heute. Es ist nicht lange her, da attackierte ein aufgebrachter türkischer Mob Parteibüros der prokurdischen Partei DTP, es folgten Plünderungen von Geschäften und Cafés wie beispielweise der Lebensmittelkette „Saypa“. Vor diesem Hintergrund heulen viele Kurden lieber mit den Wölfen, als sich zu erkennen zu geben. Manche hängen sogar türkische Nationalflaggen an den Eingang ihrer Geschäfte und tun sich durch vaterländische Parolen hervor – sei es aus Furcht oder aus Opportunismus. Das wiederum setzt sie als „Abweichler“ und „Kollaborateure“ der Rache der verbotenen PKK aus. Ihr logistisches Zentrum liegt heute in der Schweiz. In den USA und der EU gilt die marxistisch orientierte „Arbeiterpartei“ hingegen als Terrororganisation.

In den 90er Jahren war dieser Konflikt noch um einiges blutiger. Um der PKK die soziale Basis zu entziehen, zerstörte das Militär mehrere Tausend Dörfer und entvölkerte systematisch eine ganze Region. Die Menschen flüchteten entweder in die Elendsviertel der Großstädte oder ins europäische Ausland. Kurdische Organisationen sprechen von über 6000 zerstörten Dörfern und über 40000 ums Leben gekommenen Menschen in den Jahren 1984 bis 1999. In dieser Zeit geschahen offenbar die gezielten Tötungen.

Auch türkische Quellen bestätigen eine Gesamtzahl von über 44000 Getöteten auf beiden Seiten, allerdings im Zeitraum von 1984 bis 2008. Nach einer Entspannung ab etwa 1999 – sogar gewisse Minderheitenrechte für die Kurden wurden eingeführt – haben die Kämpfe seit 2004 nämlich wieder deutlich zugenommen. Im September 2009 sollen dabei „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ chemische Waffen eingesetzt worden sein, wie ein Gutachten der Hamburger Universitätskliniken feststellt. Die Verhandlungen über den EU-Beitritt der Türkei gehen unbeeindruckt davon weiter.    J.F./K.B.


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