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28.08.10 / Unsterblicher Ceausescu / Rumänen verfallen der »Nostalgie nach dem Inferno«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-10 vom 28. August 2010

Unsterblicher Ceausescu
Rumänen verfallen der »Nostalgie nach dem Inferno«

Vasile Dancu, vormals rumänischer Informationsminister und Europaabgeordneter, leitet das Rumänische Institut für Analyse und Strategie (IRES), das seit Ende Juli für bewegte Debatten sorgt. Laut der jüngsten IRES-Umfrage würde der frühere Diktator Ceausescu, träte er heute bei einer Präsidentenwahl in Rumänien an, 41 Prozent aller Stimmen bekommen. So etwas löst blankes Entsetzen aus, am meisten unter den Mitgliedern der „Präsidialkommission zur Analyse der kommunistischen Diktatur in Rumänien“: 2006 war ihr „Schlussbericht“ erschienen, der ein Abbild der „Hölle“ nachzeichnete, die Rumänien unter Ceausescu war. Jetzt musste Kommissionsvorsitzender Vladimir Tismaneanu fassungslos konstatieren, dass wohl die Mehrheit der Rumänen eine „Nostalgie nach dem Inferno“ empfindet.

Ceausescu lebt längst nicht mehr. Am 22. Dezember 1989 wurde er gestürzt, am 24. verurteilte ihn ein Sondergericht der Armee zum Tode, tags darauf erschoss ein Exekutionskommando die Eheleute Ceausescu, die man eilig auf dem Bukarester Militärfriedhof Ghencea als „zwei Offiziere“ begrub. Das bestritt die 2006 verstorbene Tochter Zoia Ceausescu, die 2003 vergebens vor Gericht eine Exhumierung erstreiten wollte. Erfolg hatte jetzt ihr Ehemann Mircea Oprea: Am 21. Juli erfolgte die Exhumierung, Oprea erkannte seinen Schwiegervater an dessen Hose und Jacke, aber letzte Sicherheit werden in sechs Monaten die Resultate von DNA-Tests erbringen.

71 Prozent meinten bei der Umfrage, dass Nicolae Ceausescu sein Schicksal nicht verdient habe – vor 21 Jahren war es umgekehrt. Unglaublich, aber von IRES dokumentiert: 54 Prozent glauben, man habe damals besser als heute gelebt (als man wegen Ceausescu hungerte und fror). Übles ist vergessen und 49 Prozent der Rumänen halten Ceausescu heute für einen guten Führer, den wie erwähnt 41 Prozent als Präsidenten wählen würden. Überhaupt ist für 68 Prozent das kommunistische Regime eine gute, jedoch schlecht umgesetzte Idee.

IRES-Chef Dancu gehört zur sozialdemokratischen PDS, allerdings zur oppositionell-reformerischen „Gruppe von Klausenburg (Cluj)“. Die Umfrage seines Instituts kommentiert er als Denkanstoß: Rumäniens Demokratie sei krank, die Menschen misstrauten den Institutionen und deren Repräsentanten, Konzeptionslosigkeit der Mächtigen und Verweigerung der Menschen kennzeichneten das öffentliche Leben. Die wirren Voten der Umfrage muss man als Beleg einer tiefen Identitätskrise erkennen: 90 Prozent aller Rumänen glauben, ihr Land „entwickelt sich in die falsche Richtung“, 80 Prozent der Jugendlichen würden auswandern, müssen aber bleiben und suchen Trost in einer „besseren“ Vergangenheit.

1967 hätte Ceausescu, vom Volk Onkel Nick genannt, jede freie Wahl gewonnen, von westlichen Krediten und östlichem Respekt gleichermaßen verwöhnt. Das Elend kam erst, als er sich an China und Nordkorea orientierte, aber die Rumänen machten mit, so Dancu: Die kommunistische Partei hatte über vier Millionen Mitglieder, die Geheimpolizei „Securitate“ Hunderttausende Spitzel, also nichts da mit „das (ganze) rumänische Volk ist bloß ein unschuldiges Opfer“. Vor der Wahl zwischen Eingeständnis der Kollaboration und Beschönigung der Vergangenheit haben nun viele Rumänen die zweite Variante gewählt.   Wolf Oschlies


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