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28.08.10 / Washington in der Klemme / Nicht nur die US-Regierung, auch die verschuldeten Bürger können Geldentwertung etwas abgewinnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-10 vom 28. August 2010

Washington in der Klemme
Nicht nur die US-Regierung, auch die verschuldeten Bürger können Geldentwertung etwas abgewinnen

Die Wirtschaft in den USA stagniert weiter, die Arbeitslosenquote bleibt unverändert hoch und die alten Probleme auf dem Banken- und Immobiliensektor schwelen unter der Oberfläche weiter.

Ausgerechnet jetzt verlassen zwei wichtige Wirtschaftsberater den Kreis um US-Präsident Barack Obama: Christina Romer kehrt kommende Woche zurück an ihre kalifornische Universität. Sie gilt als exzellente Kennerin der tiefen Wirtschaftskrise der 30er Jahre. Kürzlich erst hatte Obamas Haushaltschef Peter Orszag den Dienst beim Staatsoberhaupt quittiert.

Ausgerechnet jetzt, wo sich die Konjunktur der größten globalen Volkswirtschaft nach anfänglich erfreulicher Erholung abermals am Rand der Stagnation bewegt. Nur um 0,6 Prozent ist die US-Wirtschaft im zweiten Quartal gewachsen. Und Experten fürchten, dass diese Zahl auch noch zu optimistisch ist. Die regelmäßig später erfolgende Revision dieses Werts werde die Zahl noch einmal halbieren, dank dem gestiegenen Handelsdefizit der USA. Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaft war im zweiten Quartal um 2,2 Prozent gewachsen.

Schon gut eine Woche vor der Bekanntgabe dieser Daten hatte die US-Notenbank die Flucht nach vorn angetreten: Hypothekengestützte Wertpapiere, welche die Bank aufgekauft hatte, um eine Katastrophe an den Finanzmärkten zu verhindern, werden nun nach und nach fällig. Es geht (wieder) um Milliarden. Die US-Notenbank Federal Reserve Board, kurz Fed, will das Geld dann nicht etwa aus dem Markt nehmen, sondern dafür Staatsanleihen kaufen, um der US-Regierung bei der Finanzierung ihres gewaltigen Defizits zu helfen. Fachleute nennen das schlicht „Geld drucken“, da auf diese Weise Dollar in den Markt gespült werden, für die es keinen realen Gegenwert gibt.

Hat das Auswirkungen auf Deutschland? Bei der engen Verflechtung der Märkte bleiben die kaum aus, da sind sich die Experten einig. Uneins sind sie sich bei der Frage, wie diese Folgen aussehen dürften.

Einige führende deutsche Volkswirte heißen den Schritt der Fed gut, da sie die jüngste Delle im US-Konjunkturverlauf nur für einen vorrübergehenden Schwächeanfall halten, der erfahrungsgemäß ganz normal sei für Erholungsphasen.

FDP-Finanzexperte Frank Schäffler widerspricht dieser Sicht energisch: Die Politik der US-Notenbank berge die Gefahr in sich, dass eine weltweite Inflationswelle losgetreten werde, die auch Deutschland träfe. Andere Fachleute schlossen sich dem Liberalen an und verweisen auf die vielen Warnzeichen, die auf einen zweiten Absturz der US-Wirtschaft hindeuteten. Etwa die nach wie vor schwierige Lage am Immobilienmarkt: Washington hatte auf vielerlei Weise in den Immobiliensektor eingegriffen, um den Absturz zu bremsen. So wurden Hauskäufern Steuernachlässe gewährt und von Zwangsräumung bedrohten Amerikanern Moratorien angeboten. Diese Maßnahmen laufen langsam aus und es offenbart sich, dass der Markt noch meilenweit von stabilen Verhältnissen entfernt ist.

Dies hat sogar Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, der zuletzt erneut sehr enttäuschende Zahlen lieferte. Viele arbeitsuchende US-Bürger lehnen Stellen an entfernten Orten ab, weil sie keinen angemessenen Preis für ihr derzeitiges Haus erzielen können. Den aber bräuchten sie schon allein, um die aufgenommene Hypothek zu bedienen. Dies ist für die USA besonders bitter, weil die räumliche Mobilität der Amerikaner stets einer ihrer Pluspunkte war im Unterschied zu den „bodenständigen“ Deutschen, die lieber Arbeitslosigkeit oder sinkende Einkommen in Kauf nehmen, statt ihre angestammte Heimatregion zu verlassen.

Ähnlich trübe ist es auch um die „soziale Mobilität“ der US-Arbeitnehmer bestellt, die früher ebenfalls gerühmt wurde als Basis des „amerikanischen Traums“, dass es jeder nach oben schaffen könne. Heute, so diagnostizieren amerikanische Beobachter erschrocken, sei es selbst in Deutschland und anderen europäischen Ländern einfacher, nach oben zu kommen, als im Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten.

Wie soll es auch anders sein, wenn sogar der einst so leichte Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt immer schwieriger wird. Eine neue Stelle zu finden war einst recht leicht, weshalb US-Amerikaner optimistischer an den Neuanfang gingen als ihre europäischen Kollegen, für die der Verlust der Anstellung einer persönlichen Katastrophe gleichkam. Nunmehr steigt bei 9,5 Prozent Arbeitslosenquote auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen spürbar. Statt wie früher „Wer einen Job sucht, der findet auch einen“ heißt es heute für mehr und mehr Amerikaner: „Wer draußen ist, der bleibt es auch.“

Und dies trifft ein Land, das 70 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts im inländischen Konsum erzielt. Da wiegt eine hohe Arbeitslosigkeit gesamtwirtschaftlich noch schwerer als in Deutschland, das sich auf seine Exportstärke verlassen kann.

Springt die US-Wirtschaft jedoch wirklich nicht wie erhofft an, erweist sich der „Schwächeanfall“ tatsächlich als Beginn einer zweiten Rezessionswelle, dann wird es nicht nur für die deutschen Exporteure erneut schwierig. Die bewusst laxe Geldpolitik der Fed dürfte dann in extenso fortgesetzt werden, bis sich alles in Inflation entlädt. Warum auch nicht, können sich Amerikaner denken: Das Land ist gleich dreifach verschuldet: Der Staat beim Ausland, der Staat bei seinen eigenen Bürgern und die Bürger bei Banken, Firmen (etwa über Ratenkredite) und Hypothekenfinanzierern. Da kann Geldentwertung wie eine Verheißung klingen. Nicht so für die Deutschen, deren Privatersparnisse die Verschuldung ihres Staates noch bei weitem übertrifft. Und die Befürchtung ist vorhanden, dass eine US-Inflationswelle schnell auf andere Währungsräume übergreift. So sieht FDP-Mann Schäffler in einigen deutlich anziehenden Rohstoffpreisen bereits die Vorhut einer solchen „exportierten Inflation“.             Hans Heckel


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