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04.09.10 / Ein Funke Wiedergutmachung / Späte Einsicht: Bodenreform-Opfer sollen ihr Land günstig zurückkaufen können

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Ein Funke Wiedergutmachung
Späte Einsicht: Bodenreform-Opfer sollen ihr Land günstig zurückkaufen können

Für viele der 1945 bis 1949 in der sowjetischen Zone Enteigneten keimt neue Hoffnung auf. Zum 20. Jahrestag des Einigungsvertrages kommt aus mehreren Richtungen Bewegung in die Debatte um das ihnen geschehene Unrecht – in der Politik wächst das Drängen auf Wiedergutmachung. Allein die Linkspartei hält die Enteignung der „Junker“ noch heute für legitim.

„Den Betroffenen ist schweres Unrecht widerfahren“, stellt der FDP-Rechtspolitiker Max Stadler fest, „das wollen wir nicht einfach ruhen lassen.“ Der jetzige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium setzte sich in den Koalitionsverhandlungen energisch für die Enteignungsopfer ein. Die FDP sorgte auch dafür, dass in den schwarz-gelben Koalitionsvertrag ein entsprechender Passus aufgenommen wurde, der lautet: „Wir werden eine Arbeitsgruppe bilden, die im Hinblick auf die Enteignungen in der SBZ von 1945 bis 1949 prüfen soll, ob es noch Möglichkeiten gibt, Grundstücke, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, den Betroffenen zum bevorzugten Erwerb anzubieten.“ Aus dem Bundesfinanzministerium, das hier federführend ist, heißt es, man wolle den Prüfungsauftrag „sehr ernst“ nehmen. Stadler hofft durch eine Wiedergutmachung für die Alteigentümer auch auf neue Investitionen in den neuen Bundesländern.

Dagegen kommt von der Linkspartei scharfe Kritik: „Die FDP verstößt gegen einen wichtigen Konsens der Wendezeit“, meint die Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann, stellvertretende Vorsitzende der Linken in Brandenburg. Sie hält die Bodenreform für gerechtfertigt, wenngleich die „Radikalität der Bodenreform mit entschädigungsloser Enteignung, Ausschluss des Rechtsweges und Ausweisung der enteigneten Familien“ den „demokratischen Charakter beschädigt“ habe. Auch Linke-MdB Ulla Jelpke hält die Enteignungen nach wie vor „für völlig gerechtfertigt“, weil die Großgrundbesitzer „Kriegsverbrecher und Unterstützer des Naziregimes“ gewesen seien. Die vielen adligen Widerständler ignoriert sie.

Damit wiederholt die Linkspartei fast ohne Abstriche die kommunistische Propaganda von 1945, die zur Enteignung von fast 12000 Höfen führte. Die Schuld der „Faschisten“ und „Kriegsverbrecher“ wurde allerdings nie gerichtlich festgestellt. Unter dem Schlachtruf „Junkerland in Bauernhand“ enteigneten die sowjetischen Besatzer alle Grundbesitzer mit mehr als 100 Hektar Fläche: insgesamt mehr als drei Millionen Hektar Äcker, Weiden, Wiesen und Wälder, rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche auf dem Gebiet der späteren DDR. Hinzu kamen mehrere Tausend Immobilien und mittelständische Industriebetriebe.

Nach der Vereinigung wurden nur diejenigen Enteignungsopfer entschädigt, deren Grundstücke während der DDR-Zeit (ab 1949) verstaatlicht worden waren. Die sowjetische „Bodenreform“ ließ die Kohl-Regierung hingegen nicht antasten, weil dies eine Bedingung Russlands für die Vereinigung gewesen sei. Das Bundesverfassungsgericht folgte dieser Argumentation und lehnte 1991 und 1996 eine Restitution ab. Auch der Europäische Gerichtshof verweigerte den Alteigentümern 2005 alle Ansprüche. Allerdings hatte der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow schon 1998 erklärt, dass Russland eine solche Bedingung nie aufgestellt habe. Auch der damalige Verhandlungsführer auf westdeutscher Seite, der heutige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, verneinte die Kenntnis einer solchen Bedingung. Im Jahr 2004 distanzierte sich sogar Alt-Bundeskanzler Hellmut Kohl von seiner damaligen Behauptung.

Heute bedauert der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts und spätere Bundespräsident Roman Herzog ausdrücklich, dass nach 1996 keine weiteren Schritte zu einer rechtlichen Wiedergutmachung unternommen wurden. Karlsruhe habe zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Tatsachenlage „nicht anders handeln können“. Das Gericht habe jedoch in seiner Urteilsbegründung den Opfern „alle rechtlichen Möglichkeiten offengelassen“. Er sehe gute Chancen für eine Wiedergutmachungsinitiative, erklärte der Jurist.

So keimt für zumindest etwa 600000 Opfer eine späte Hoffnung auf. Es geht um Grundstücke im Wert von rund zwei Milliarden Euro mit einer Gesamtfläche von 500000 Hektar. Sie gehören heute dem Bund und werden von der staatlichen Boden-Verwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG) verwaltet. Davon sind etwa 420000 landwirtschaftliche und 80000 Hektar forstwirtschaftliche Fläche. Die Enteignungsopfer sollen sie nun verbilligt, etwa zu einem Viertel des Wertes, zurückkaufen können.

So könnte auch das Gut der Familie Bismarck im sachsen-anhaltischen Schönhausen oder die Schnapsbrennerei der von Fontane besungenen Ribbecks im Havelland an die Eigentümer zurückgehen. Kämpferisch gibt sich in einem Bericht der „Welt“ Albert Graf von Schlieffen. Der Urgroßneffe des kaiserlichen Generalfeldmarschalls und Autors des „Schlieffen-Plans“ kaufte für 100000 Euro das verfallene Gutshaus seiner traditionsreichen Familie zurück. Nach der aufwändigen Renovierung des Hauses fehlt ihm aber das Geld für den Rücckauf von 1300 Hektar enteigneten Landes. Der heute 70-jährige Graf Schlieffen hofft jetzt auf die kostenlose Rück­gabe des Bodens aus der Hand der BVVG.          Hinrich E. Bues


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