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04.09.10 / Gezauste Streitmacht / Obwohl die Konflikte um knappe Ressourcen zunehmen werden, rüstet Deutschland ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Gezauste Streitmacht
Obwohl die Konflikte um knappe Ressourcen zunehmen werden, rüstet Deutschland ab

Alle vom Verteidigungsminister vorgestellten Modelle zur zukünftigen Struktur und Ausstattung der Bundeswehr haben eines gemeinsam: Die Fähigkeit zur „kollektiven Landesverteidigung“, sprich Bündnisverteidigung, im Rahmen der Nato wird aufgegeben.

150 Kampfpanzer haben nur symbolischen Wert. Die de facto Abschaffung der Wehrpflicht und die damit verbundene sinkende Anzahl von Reservisten, auf die im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann, verschärfen das Problem. Auch wird durch die dann fehlenden Reservisten eine wirksame Heimatschutzverteidigung aufgegeben.

Es ist richtig, dass Deutschland im Zentrum Mitteleuropas in absehbarer Zeit nicht durch einen massiven Angriff mit Panzern und Kampfflugzeugen bedroht ist. Es ist auch richtig, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr wahrscheinlicher bleiben und daher Priorität genießen. Aber gilt dieses Szenario eines relativ unwahrscheinlichen Falles einer „kollektiven Landesverteidigung“ für die gesamte Nato, die durch die Erweiterung nach Osten und Südosten näher an Konfliktregionen herangerückt ist?

Die neuen Mitgliedstaaten haben bei ihrem Beitritt auf die Solidarität der Bündnispartner – besonders der Vereinigten Staaten und Deutschlands – gesetzt. Auch wenn es keine automatische Beistandspflicht in der Nato gibt, so verlassen sich doch alle Nato-Mitgliedstaaten auf den Willen und die Fähigkeit ihrer Partner zum militärischen Beistand.

Außer einem symbolischen Beistand hat Deutschland seinen Partnern nichts mehr zu bieten. Die „kollektive Landesverteidigung“ ist nicht das einzige denkbare Szenario für den Einsatz kampfstarker militärischer Kräfte.

Bei einem Blick über den Tellerrand Mitteleuropas wird deutlich, dass schwere Konflikte um knappe Ressourcen – wie Wasser, Öl, Gas, „strategische“ Rohstoffe und Nahrungsmittel drohen – verflochten mit Folgen massiver Migration und des internationalen Terrorismus.

Als vom Import von Rohstoffen und dem ungehinderten Export hochwertiger Güter abhängiges Land muss Deutschland in der Lage sein, einen wirkungsvollen militärischen Beitrag zu gemeinsamen Missionen der Nato und der EU zu leisten.

Bei der Befreiung des Kosovo im Jahre 1999 war eine kampfstarke deutsche Brigade als „Speerspitze“ der Nato erfolgreich im Einsatz.  Die Ebene der Brigade, bisher entscheidender Träger des „Gefechtes der verbundenen Waffen“ des Heeres, soll es in Zukunft nicht mehr geben.

Wer soll in Zukunft solche Einsätze zur „Friedenserzwingung“ im Gefecht führen? Die Bundeswehr braucht ein Mindestmaß an kampfstarken Verbänden, die einen wirkungsvollen Beitrag zur „kollektiven Landesverteidigung“ und zu Kampfeinsätzen zur „Friedenserzwingung“ leisten können. Sie braucht auch Offiziere und Unteroffiziere, die solche Kampfarten beherrschen.

Deutschland hatte dank der Qualität und Quantität seiner Streitkräfte ein hohes Ansehen in der Nato und – zum Glück –  bei den ehemaligen potentiellen Aggressoren.

Die Bekanntgabe der Modelle kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die Nato erarbeitet in einem komplizierten Prozess die zukünftige Strategie, die auch den Spagat zwischen der „kollektiven Landesverteidigung“ und den Einsätzen im Rahmen der Krisenprävention und -bewältigung leisten muss.

Diese neue Strategie der Nato hätten die Mitgliedstaaten zu einem neuen Ansatz der Aufgabenteilung und Rollenverteilung nutzen können und müssen. Leider ist Deutschland dieser gemeinsamen Anstrengung zuvorgekommen. Aber noch ist Zeit, die Modelle kritisch zu prüfen und substanziell zu verändern. D. Farwick

Der Autor ist Brigadegeneral a.D. und Chefredakteur von www.worldsecurity-network.com. Er war Direktor des Militärischen Abschirmdienstes der Bundeswehr.


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