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04.09.10 / Mehr als nur ein Straßenname / Vor 250 Jahren wurde Bogislav Friedrich Emanuel Graf Tauentzien von Wittenberg geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Mehr als nur ein Straßenname
Vor 250 Jahren wurde Bogislav Friedrich Emanuel Graf Tauentzien von Wittenberg geboren

Kommt die Rede auf den „Tauentzien“ – so die gebräuchliche Bezeichnung für die Berliner Tauentzienstraße – denkt man wohl eher an Geschäfte für den weniger schmalen Geldbeutel oder das dort befindliche „Kaufhaus des Westens“ als an den Namensgeber der Straße – womit man ihm Unrecht tut.

Bogislaw Friedrich Emanuel von Tauentzien wurde am 15. September 1760 in Potsdam geboren. Sein Vater, Friedrich Bogislaw von Tauentzien, stand als Offizier im Dienste Fried­richs des Großen. Er hatte an nahezu jeder bedeutenderen Schlacht der Schlesischen Kriege teilgenommen und sich insbesondere 1760 um die Verteidigung Breslaus verdient gemacht.

Auch Bogislaw schlug die Offizierslaufbahn ein. Sein Aufstieg, sicher auch durch die Verdienste des Vaters begünstigt, erfolgte zunächst abseits der „klassischen“ militärischen Betätigung. Prinz Heinrich hielt große Stücke auf den jungen Tauentzien und holte ihn an den Rheinsberger Hof. Als Adjutant begleitete er den Prinzen in den Bayerischen Erbfolgekrieg, vor allem aber auf Reisen. Als sich Heinrich 1792 gegen den Krieg gegen Frankreich aussprach, wandte sich neben anderen auch Tauentzien von ihm ab. Der Prinz sympathisierte keineswegs mit den Jakobinern, aber er fürchtete, dass alle Franzosen geradezu an die Seite der Revolution gezwungen würden, wenn es notwendig sei, das Vaterland zu verteidigen. Tauentzien hingegen war für den Kampf.

Seine weitere Karriere lässt vielfach die „Ausbildung“ durchscheinen, die er im Dienste Heinrichs auf militärischem und diplomatischem Gebiet erhalten hatte. König Friedrich Wilhelm II. erhob ihn in den Grafenstand. 1794 wurde er für längere Zeit an den Zarenhof gesandt. Andere Missionen folgten. Da er in Russland in besonders guter Erinnerung blieb, bat man von dort aus um seine Wiederverwendung, allerdings vergeblich.

1804 kehrte Tauentzien in den Truppendienst zurück. Zuerst übernahm er ein Regiment in Ansbach. Er war an der Schlacht bei Jena im Oktober 1806 beteiligt und geriet später in Kriegsgefangenschaft. Zunächst auf Ehrenwort entlassen, erfolgte im Dezember 1806 seine erneute Festnahme durch die Franzosen. Erst im November 1808 kam er frei. Befördert wurde Tauentzien regelmäßig, sogar während der Gefangenschaft.

Im Zuge der Neubildung des preußischen Heeres wurde er zum Chef der Brandenburgischen Brigade ernannt. Seinem Befehl unterstand auch Ferdinand von Schill, der 1809 sein Husarenregiment gegen Napoleon führte. Dieser Versuch eines Aufstandes scheiterte schon nach wenigen Wochen. Ob Tauentzien in das Vorhaben Schills, der eigenmächtig handelte, eingeweiht war oder es gar unterstützte, ist nicht sicher zu klären. Dem Vorhaben, die Fremdherrschaft abzuschütteln, dürften seine Sympathien aber in jedem Falle gehört haben.

Als sich im Frühjahr 1813 der Widerstand gegen Napoleon formierte, hoffte Tauentzien auf den Oberbefehl. Der Fürsprache des Zaren konnte er sicher sein. Sein Ansehen bei den preußischen Militärreformern war allerdings weniger hoch, namentlich Gerhard von Scharnhorst und August Neidhardt von  Gneisenau bezweifelten seine Leistungsfähigkeit als Heerführer und auch Hermann von Boyen meinte, er sei mehr Hofmann als Soldat. Zunächst fand er nicht einmal Verwendung „im Felde“. Erst im Juli 1813 wurde ihm das Kommando des IV. Armeekorps übertragen. Dieses sollte je nach Lage innerhalb der gegen Napoleon verbündeten Armeen entweder die Nordarmee unter dem schwedischen Kronprinzen Karl Johann oder die Schlesische Armee unter Gebhard Leberecht von Blücher unterstützen. Mit dem Kronprinzen stand er wohl in gutem Einvernehmen – was nicht einer gewissen Ironie entbehrt. Karl Johann hatte noch wenige Jahre zuvor als Marschall Jean-Baptiste Bernadotte im Dienste des Kaisers der Franzosen gestanden; als Tauentzien Kommandeur in Ansbach war, hatte Bernadotte unter Verletzung der Neutralität seine Truppen durch dieses Gebiet geführt.

Am siegreichen Ausgang der Schlacht bei Großbeeren im August 1813 hatten Tauentziens Truppen großen Anteil. Die Schlacht bei Dennewitz im September 1813 entschied er gemeinsam mit Fried­rich Wilhelm Freiherr von Bülow, dem Befehlshaber des III. Armeekorps. Darüber, dass Bülow seinem Namen „von Dennewitz“ beifügen durfte, wäre es zwischen den beiden Befehlshabern später beinahe zum Duell gekommen. Die Verleihung des Titels durch den König war nicht mehr rück­gängig zu machen. Tauentzien forderte von Bülow eine schriftliche Erklärung, dass sein Korps in der Schlacht mindestens ebenso viel geleistet habe wie Bülows Soldaten. Bülow fand sich erst im letzten Moment zu einer solchen Erklärung und auch nur in einer von ihm modifizierten Form bereit.

Zu einem Titel kam Tauentzien dennoch. Die Völkerschlacht bei Leipzig hatte er zwar „verpasst“, weil er in den entscheidenden Oktobertagen 1813 auf die Meldung, Napoleon marschiere gen Berlin, seine Truppen dorthin führte. Aber noch im Dezember 1813 wurde er zum General der Infanterie befördert und seine Soldaten waren es, die Wittenberg im Januar 1814 einnahmen. Tauentzien konnte sich fortan „von Wittenberg“ nennen. Der Schönheitsfehler bestand nur darin, dass der ihm unterstellte General Leopold Wilhelm von Dobschütz die Eroberung geleitet hatte und Tauentzien nicht einmal dabei gewesen war.

Nach den Befreiungskriegen führte er von Berlin aus verschiedene Kommandos und war wieder mit diplomatischen Missionen betraut. Am 20. Februar 1824 starb Tauentzien. Mit dem Tod seines Sohnes Heinrich Bogislaw im Jahre 1854 ist der gräfliche Zweig der Familie erloschen.

1864 bestimmte ein königlicher Erlass Wilhelms I. die Benennung von – zum Teil erst später gebauten – Berliner Straßen nach Schlachten und Heerführern der Befreiungskriege. Auch der Name Bogislaw von Tauentzien war da­runter. Er mag keiner der großen Militärtheoretiker oder Heerführer gewesen sein, aber einen festen Platz in der preußischen Geschichte kann er für sich beanspruchen – an den nicht nur in Berlin durch Straßennamen erinnert wird.         Erik Lommatzsch


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