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04.09.10 / Demo der Opposition im Grünen / Königsbergs Stadtverwaltung verbannte Protestaktion »Tag des Zorns« in den Südpark

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Demo der Opposition im Grünen
Königsbergs Stadtverwaltung verbannte Protestaktion »Tag des Zorns« in den Südpark

Die zweite Protestaktion in Königsberg hat nicht – wie von der Opposition angekündigt – die Stärke der Großdemonstration vom Januar erreicht. Wie schon im März hat die Stadtverwaltung eine Parallelveranstaltung organisiert.

Mindestens 8000 Teilnehmer würden an der zweiten großen Protestaktion „Tag des Zorns“ im Zentrum von Königsberg teilnehmen. So hatten es die Organisatoren vorausgesagt, doch tatsächlich kamen nur etwa 2000.

Zu den Organisatoren zählten Vertreter der Kommunistischen Partei, der „Patrioten Russlands“, der Bewegungen „Solidarität“, „Jabloko“ („Apfel“), „Das andere Russland“ und „Linke Front“. Unterstützt wurden sie vom Koordinationsrat der Königsberger Bürgerbewegungen „Unsere Stadt“, „Veteranen der bewaffneten Kräfte“ sowie von Aktivisten der Städte Labiau und Insterburg.

Ursprünglich hätte diese Versammlung in der Innenstadt beim Denkmal „Mutter Russland“ stattfinden sollen, aber wieder einmal erhielten die Organisatoren von der Stadtverwaltung eine Abfuhr. Diesmal mit der Begründung, dort werde gleichzeitig eine Spendenaktion für russische Brandopfer stattfinden. Als Ort für die Protestveranstaltung wurde deswegen der Südpark (Juschnyj Park) bestimmt.

Bis eine Woche vorher warben Plakate in der Stadt für die Demonstration. Dabei hatte die Forderung nach Entlassung von Gouverneur Georgij Boos an Aktualität verloren, weil er erst gar nicht für eine zweite Amtszeit vorgeschlagen wurde, aber alle anderen Forderungen blieben aktuell.

In den Mittagsstunden waren bereits 1500 Menschen zusammengekommen. Die restlichen etwa 500, die auf ihrem Weg nach Königsberg aus anderen Städten aufgehalten worden waren, stießen nach und nach dazu. Aus den Lautsprechern des Parks tönten Lieder des bekannten russischen Sängers Oleg Gasmanow, eines gebürtigen Königsbergers. Eigentlich hatte er auf der Veranstaltung der Stadtverwaltung auf dem Hansaplatz auftreten sollen, aber als er hörte, dass sein Auftritt gleichzeitig mit der Versammlung stattfinden sollte, hatte er abgesagt mit der Begründung, er wolle sich aus politischen Streitigkeiten heraushalten.

Die Hauptforderung der Versammelten war diesmal die Rück-kehr zur freien Wahl der Gouverneure. Die Organisatoren zeigten in einer Improvisation, wie derzeit die Wahl des Gouverneurs erfolgt. Bei dieser „Wahl“ erhielt keiner der aufgestellten Kandidaten die Unterstützung der Anwesenden.

Die Demonstranten hielten Plakate mit Forderungen wie „Unsere Kinder sollen im Sozialismus leben“ oder „Ändert den sozialen Kurs!“ hoch. Sie forderten auch Gehalts- und Rentenerhöhungen. An dem Treffen nahmen auch Aktivisten für den Erhalt des Südparks teil, um dessen Bebauung bis heute heftig gestritten wird. Ihre Forderungen lauteten „Status Erholungszone für den Südpark“ und auf einem Transparent war die Zeile eines alten Liedtextes zu lesen: „Wo bist du, unsere Gartenstadt Königsberg?“ Die Umweltschützer beschuldigten den Gouverneurskandidaten Jurij Sawenko, seinerzeit als Bürgermeister die Bebauung des Parks genehmigt zu haben.

Gegen den amtierenden Gouverneur waren folgende Transparente gerichtet: „Auf Wiedersehen Boos!“ und „Geh deiner Wege nach Moskau!“

Aufmerksam hörte die Menge der Rede von Boris Nemzow, dem führenden „Solidarnost“-Politiker, zu. Nemzow war in der Regierung Jelzin Vize-Premier gewesen. Er lobte die Königsberger für ihre Aktionsbereitschaft, die im ganzen Land und auch im Ausland Aufsehen erregt habe. Anschließend gab er Autogramme, diskutierte mit den Menschen und beantwortete ihre Fragen.

Die Demonstration endete mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution mit folgenden Forderungen: Wahl des Gouverneurs durch das Volk, unverzüglicher Rücktritt der Regierung, Erteilung mehrfach gültiger Schengenvisa für Bürger der Königsberger Exklave, Senkung der Zölle für Importautos und der Kfz-Steuer, keine weitere Erhöhung der Wohnnebenkosten sowie Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Die Resolution enthielt auch Forderungen an den scheidenden Gouverneur Boos. Er möge die Vernichtung von Grünflächen stoppen und den Bürgern unrechtmäßig entzogenes Land zurückgeben. Außerdem solle er das vorherige System der Finanzierung im Bildungs- und Gesundheitswesens wieder einführen, indem er die private Vorsorge wieder abschafft. Die Opposition kündigte für den 30. Oktober den nächsten „Tag des Zorns“ an – diesmal auf dem Platz vor dem „Haus der Räte“. Jurij Tschernyschew


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