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04.09.10 / Luxus und Nostalgie als Programm / Auf der MS »Deutschland« verschmelzen auch in der Realität manchmal Traum und Wirklichkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Luxus und Nostalgie als Programm
Auf der MS »Deutschland« verschmelzen auch in der Realität manchmal Traum und Wirklichkeit

Unlängst feierte die in finanzielle Untiefen geratene, doch durch  Finanzspritzen aus München ins Trockene gebrachte MS „Deutschland“ ihren zwölften Geburtstag im Hafen von St. Petersburg. Dieses Schiff ist Kult, ja Inbegriff eines besonderen Lebensstils, der süchtig macht.

Unter den Sphärenklängen der „Traumschiff“-Melodie gleitet die MS „Deutschland“ majestätisch aus dem Kieler Hafen hinaus ins Baltikum. Die Passagiere an Bord winken den Menschen am Pier fröhlich zu. Die Szene ist filmreif – ganz so wie in der TV-Serie, die bereits seit vielen Jahren Traumquoten einfährt. Als am nächsten Morgen auf hoher See bei Windstärke 7 die Rettungsübungen im eleganten „Kaisersaal“ durchgeführt werden, hat die Realität die Passagiere wieder eingeholt. Manche suchen, leicht grünlich im Gesicht, im vollen „Ornat“ ihrer Rettungswesten fluchtartig das Weite. Bordarzt Dr. Posteuca, ein jovialer Mann mit reicher Erfahrung, hat alle Hände voll zu tun. Er verabreicht Spritzen und Tabletten gegen Übelkeit, die im Handumdrehen helfen. Am Mittag sind alle wieder „an Deck“ und genießen im Restaurant „Berlin“ die vom Schweizer Starkoch Christian Walter kreierten Menüs. Darf es noch ein wenig getrüffelte Gänseleber, ein Hauch Hollandaise auf den frischen Spargel sein? Wo wird der Gast vom Personal so verwöhnt wie an Bord dieses Luxusliners? Selbst die Serviette wird ihm auf den Schoß gelegt.

„Nur essen musst du allein“, schmunzeln Peter und Renate W. aus Stuttgart. Das Ehepaar ist bereits zum – man höre und staune – 15. Mal auf der „Deutschland“. Beide waren bereits an Bord, als das „Traumschiff“-TV-Team noch mit Kapitän Hansen, alias Schauspieler Heinz Weiss, und Bordarzt Dr. Schröder, gespielt von Horst Naumann, besetzt war. Seinerzeit haben sie hautnah an den Dreharbeiten teilgenommen. „Die Darsteller waren fast auf du und du mit den normalen Passagieren“, erinnern sich beide. Inzwischen ist von der alten Garde nur noch Heide Keller, sozusagen die Inkarnation der perfekten Chefstewardess, geblieben. „Egal, wer den Kapitän mimt“, sagt Renate W. „mit dem echten, Andreas Jungblut, kommt ohnehin kein Schauspieler mit – gescheit und gutaussehend wie der ist.“ Der hochgewachsene, reich mit Gold betresste Mann kommt bei allen gut an, egal, ob Männlein oder Weiblein. Wenn er in einer ruhigen Minute seinen Passagieren auf seiner mit mo-dernster Elektronik ausgerüsteten Brücke in verständlichen Worten die Funktion des Schiffes erklärt, kann man eine Stecknadel zu Boden fallen hören.

Vom Banalen, Alltäglichen oder etwaigen Problemen bleibt der Passagier unbehelligt. Auch die sonst so beliebte Frage nach der Zahl der Särge an Bord ist hier tabu. Der Gast soll seine Reise auf den makellos polierten Planken des Traumschiffes in vollen Zügen genießen, umgeben von einem Heer dienstbarer Geister, die ihm fast jeden Wunsch von den Augen ablesen. 280 Mitarbeiter, die allesamt Deutsch sprechen, stehen maximal 520 Passagieren rund um die Uhr zur Verfügung. Dies entspricht genau der Philosophie des Reeders und Erfinders des Schiffes, dem das „menschliche Maß“ über alles ging. Diese Tradition wird auch nach dem frühen Tod Peter Deilmanns – er starb 2003 im Alter von 68 Jahren – von seinen Zwillingstöchtern Gisa und Hedda fortgeführt. Luxus und Nostalgie sind Programm. Die Kabinen wurden gediegen im Stil der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts ausgestattet. In den kleinen, aber feinen Bädern funkeln vergoldete Armaturen. Überall auf dem Schiff dominieren edle Hölzer und kostbare Stoffe. Kuppeln aus buntem Glas sind in die Decken eingelassen. Auf den von schmiedeeisernen Geländern gerahmten Treppenabsätzen hängen Original-Ölgemälde und großflächige Fotografien aus alten Ufa-Streifen. Unter den eleganten Kolonnaden der Flaniermeile residiert ein Edel-Juwelier, der jede Frau mit seinem prachtvollen Schmuck betört. Schräg gegenüber wirkt ein Coiffeur von Rang mit seinem hochmotivierten Team. Und nicht zuletzt lockt die elegante Bou-tique am Ende des Flurs mit edlen Cashmere-Pullovern, Seidenkrawatten, feinen Accessoires und betörenden Düften der großen Parfümeure dieser Welt. Eine Kulisse wie geschaffen für das „Traumschiff“ des erfolgreichen Berliner Fernsehproduzenten Wolfgang Rademann. Die zum Großteil hanebüchenen Episoden an Bord werden zwar oft mit Häme überschüttet, fügen dem Glanz der „Deutschland“ jedoch keinen Kratzer zu. Das Schiff wird nicht selten zum zweiten Wohnzimmer der Zuschauer, in dem Traum und Wirklichkeit nahtlos miteinander verschmelzen. Wer würde nicht gern am Abend, umfächelt von einer sanften Brise, mit einem kühlen Bier an Deck sitzen, die prachtvollen Barock-fassaden von St. Petersburg bewundern und einen ausgedehnten Spaziergang durch diese von Zar Peter I. im 18. Jahrhundert aus einem Guss geschaffene einzigartige Stadt unternehmen!

Beim Landgang, der ohne die obligatorische Begrüßung durch eine Seemannsband schier undenkbar ist, treten zwei Herren auf den Plan, die besonders alleinreisenden Damen das Leben auf ihrer Kreuzfahrt versüßen. Peter und Hans-Peter, zwei perfekte Gentlemen, fungieren als „Hosts“, also Gastgeber in (fast) allen Lebenslagen.

Zum Tanztee oder in der Bar in feinen Zwirn gehüllt, agieren sie auf Ausflügen in weißer Hose und rotem Anorak mit der weithin sichtbaren Aufschrift „Crew“. Unverzichtbar seien beide, berichtet die reizende Dame aus dem Ruhrpott. Auf ihrer letzten Reise hätten sie und ihre beiden Freundinnen sich in Norwegen hoffnungslos „verfranst“. Und wäre nicht Peter im buchstäblich letzten Augenblick als Retter aufgetaucht, hätten sie mit Sicherheit das Schiff verpasst. Ein déjà-vu! Kennen wir nicht ähnliche Szenen aus der berühmten Serie?

Wo es so menschelt, ist eine Pastorin nicht fern. Annie Lander Laszig, die humorvolle Dänin mit Heimathafen Kiel, sorgt sich an Bord rührend um das Seelenheil der Passagiere und steht ihnen auch außerhalb ihrer Gottesdienste mit Rat und Tat zur Seite. Und sollte irgendein Passagier einmal über Bord gehen – was natürlich Gott verhüten möge – wäre ein Sprung ins kalte Nass für die sportliche Frau kein Problem. Sie ist eine bekennende „Wasserratte“, die bei Wind und Wetter und sogar im Winter in der Ostsee badet. Bleibt nur noch zu sagen: Leinen los zur nächsten Kreuzfahrt in blaue Fernen.             Uta Buhr


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