23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.09.10 / Deutscher Nettobeitrag explodiert / Bald zwölf Milliarden netto jährlich für die EU? – Mehr Beiträge, weniger Rückflüsse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-10 vom 11. September 2010

Deutscher Nettobeitrag explodiert
Bald zwölf Milliarden netto jährlich für die EU? – Mehr Beiträge, weniger Rückflüsse

Der deutsche EU-Beitrag kann netto bald zwölf Milliarden Euro im Jahr betragen, warnen Experten – ein Anstieg um fast die Hälfte (2009: 8,8 Milliarden, 2008 waren es noch 7,4 Milliarden). Grund sind schwindende Rückflüsse aus Brüssel. Doch die schwarz-gelbe Regierung in Berlin schwingt gerade den Rotstift, da droht der EU womöglich ein Streit, zumal vom deutschen Beitrag viel abhängt – gut 20 Prozent des EU-Haushalts.

Erst kürzlich regte der aus Polen stammende Brüsseler Haushaltskommissar Janusz Lewandowski an, eine direkte EU-Steuer einzuführen. Die Bundesregierung weist den Plan zurück. „Eine EU-Steuer oder die Beteiligung der EU an nationalen Steuern und Abgaben lehnen wir ab“, heißt es im schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Lewandowski sieht seine Idee aber als „Entlastung“ der bisherigen nationalen EU-Beiträge. Die EU reagiere damit auf die Wünsche ihrer Mitglieder, weniger zu zahlen, auch auf die aus Berlin. Die Brüsseler Botschaft lautet: lieber direkt, als über euch.

Bisher erhält die Gemeinschaft den Großteil ihrer Mittel von den Regierungen der Mitgliedsländer. In dem Maße, in dem die förderbedürftigen neuen Bundesländer von der EU bezuschusst wurden, stiegen die deutschen EU-Beiträge. Nun ist Osteuropa Förderschwerpunkt. Der Prozess der EU-Erweiterung auch nach innen, in Form von mehr Kompetenzen für Brüssel, ist politisch von Berlin gewollt. Mehr zahlen zu müssen, sollte Schwarz-Gelb daher nicht überraschen. Bereits 2004 warnte ein französisches Finanzinstitut, Deutschland müsse bei Aufnahme weiterer Länder in die EU besonders hohe Lasten tragen.

Mehr zahlen, weniger bekommen ist nun eine „Überraschung“. Sie ist nicht allein dem Anstieg der EU-Ausgaben geschuldet. Europa soll mehr Aufgaben bekommen, auch mehr Behörden. Die drei Kürzel EBA, Eiopa und Esma stehen schon bald nicht nur für die europaweite Aufsicht über Banken, Versicherungen und Börsen. Die drei neuen EU-Institutionen greifen auch in den Bereich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ein. Ein neuer EU-Außendienst mit geplant mehreren Tausend Mitarbeitern in 130 Ländern ist ebenfalls teuer, seine Finanzierung offen, die Frage auf den Herbst vertagt. Deutschland hat diese Prozesse beispielsweise bei der europaweiten Kontrolle der Finanzmärkte ausdrücklich gefördert. Wer Kompentenzverschiebungen wie auch das jüngst vom Bundesverfassungsgericht abgesegnete Großprojekt EU-Rettungsschirm durchsetzt, sollte jedoch die außerordentlichen wie die regulären Ausgaben einkalkulieren. Doch die schwindenden Rückflüsse aus EU-Töpfen treffen die Regierung offenbar unvorbereitet. Es wird weniger Regionalförderung für Deutschland geben. Die neuen Länder fallen aus der Höchstförderung heraus.

Das Beispiel Brandenburg zeigt, dass weniger EU-Förderung auch auf Politikversagen vor Ort zu- rückzuführen ist. Wer die Verwendung der Mittel nicht nachweisen kann, verliert schnell im europäischen Förderpoker. Kritiker dieser finanziellen Verschiebungen von Subventionen aus dem deutschen in den EU-Haushalt und zurück in die Bundesländer fordern seit langem, Deutschland solle seine Regionen lieber selber fördern.

Niedrigere Direktzahlungen für die Landwirtschaft sind das zweite, noch größere Problem, das deutsche Beiträge netto steigen lässt. Die „Wirtschaftswoche“ zitiert dazu ein internes Papier des Auswärtigen Amtes: „Eine Nivellierung auf niedrigem Niveau bedeutet signifikante Einkommenseinbußen für die deutschen Bauern“, aber „eine Angleichung auf höherem Niveau würde hingegen zu einem deutlichen Aufwuchs des Agrarhaushalts führen“. Beides ist eine Sackgasse. Statt über die leistbare Höhe deutscher Beiträge notfalls kontrovers zu verhandeln, setzt die Bundesregierung die Scheckbuchdiplomatie fort – für Europa, glaubt sie. Doch sie verstärkt nur die EU-Abhängigkeit vom Nettozahler Nummer eins, statt die Chance zu nutzen, auch umgekehrt die Verbesserung und Kontrolle europäischer Politik durch die deutsche als Chance zu nutzen.             Sverre Gutschmidt


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren