28.03.2024

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11.09.10 / Übersehene dünne Stelle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-10 vom 11. September 2010

Übersehene dünne Stelle
von Konrad Badenheuer

Vor Jubel schier überschlagen hat sich die Bundesregierung über ihr neues energiepolitisches Gesamtkonzept. Gleich „epochale Bedeutung“ maß FDP-Chef Guido Westerwelle dessen wichtigstem Element, dem Kompromiss über die Restlaufzeit der deutschen Atomkraftwerke, bei. Doch gerade dieser – inhaltlich durchaus gelungene – Teil des Neun-Punkte-Pakets ist noch keineswegs in trockenen Tüchern.

Trotz allen rechtlichen Absicherungen, die die Bundesregierung gesucht hat, bleibt unklar, ob die Laufzeitverlängerung wirklich ohne Zustimmung des Bundesrates beschlossen werden kann. SPD, Grüne und mehrere Bundesländer haben angekündigt, in Karlsruhe gegen die Umgehung der Länderkammer klagen zu wollen. Sollte Karlsruhe anders urteilen als von der Bundesregierung erwartet, könnte die von We-sterwelle ausgerufene „Epoche“ auf Null zusammenschrumpfen.

Doch dieses Risiko – mitsamt der Ankündigung von SPD-Chef Gabriel, im Falle eines Regierungswechsels die Laufzeitverlängerung gleich wieder einzukassieren – ist nicht die einzige dünne Stelle des so hoch gepriesenen Konzepts.

Ein eher noch größerer Schwachpunkt ist, dass das Papier keine konkreten Festlegungen für den Ausbau und die Modernisierung des Stromnetzes enthält. Doch hier besteht ein riesiger Investitionsrückstand, der noch dadurch verschärft wird, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien eigentlich einen dynamischen Ausbau des Stromnetzes erfordert, wie in dem Papier selbst nachzulesen ist. Die Masse des Windstroms beispielsweise wird in Norddeutschland (mit ganz unregelmäßigem Aufkommen) produziert, aber im Süden und Westen benötigt und verbraucht. Dieses Problem ist seit Jahren bekannt, aber auch das neue Konzept enthält dazu nur Sätze wie: „Die Bundesregierung wird prüfen, ob und wie der Ausbau der deutschen Netzinfrastruktur durch wirtschaftliche Anreize und planerische Instrumente deutlich beschleunigt werden kann.“ In der öffentlichen Diskussion ist das angesichts der Fokussierung auf die Laufzeitenfrage weitgehend übersehen worden.

Trotz diesen beiden klaren Schwächen bleibt festzuhalten, dass der Bundesregierung nach einer monatelangen Hängepartie nun wieder in einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung eine Entscheidung gelungen ist. Sie trägt, wie alle Seiten bestätigen, maßgeblich die Handschrift der Bundeskanzlerin.


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