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11.09.10 / Ein Gumbinner wird Gouverneur / Moskau reagiert auf Protestbewegung − Regionalpolitiker soll Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-10 vom 11. September 2010

Ein Gumbinner wird Gouverneur
Moskau reagiert auf Protestbewegung − Regionalpolitiker soll Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen

Nun ist es amtlich: Der Überraschungskandidat Nikolaj Zukanow löst Georgij Boos als Gouverneur der Königsberger Exklave ab. Am 28. September wird der bislang wenig bekannte Politiker die Amtsgeschäfte übernehmen.

„Ich träume davon, in fünf Jahren ruhig durch die Straßen der Oblast zu gehen und mich für mein Handeln nicht schämen zu müssen.“ Mit diesem frommen Wunsch en-dete ein Interview mit Nikolai Zukanow. Er wird der erste Gouverneur sein, dessen Lebensweg von Beginn an mit dem Königsberger Gebiet verbunden war. Das Licht der Welt erblickte der Politiker 1965 in Kulligkemen (Lipowo) im Kreis Gumbinnen. Nach einer Ausbildung am Polytechnischen Institut arbeitete er als Schweißer in der Motorenfabrik „Mikrodwigatel“. Nach dem Armeedienst begann seine politische Karriere als Sekretär des örtlichen Komsomol in den Kreisen Cranz und Gumbinnen. In den 90er Jahren erlangte Zukanow ein juristisches Diplom und blieb für fünf Jahre in Moskau. Dort arbeitete er am technisch-wissenschaftlichen Zentrum „Techinvestmed“. 2002 erhielt er den Grad eines Kandidaten der Psychologie.

Im Mai 2005 wurde er schließlich zum politischen Oberhaupt des Gumbinner Gebiets gewählt. Seit Mai 2009 ist er Chef des Stadtkreises Gumbinnen und am 26. Juli 2010 wurde er Sekretär des Regionalrats der Partei „Einiges Russland“. Er ist in zweiter Ehe verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe.

Nachdem Präsident Dmitrij Medwedew Nikolaj Zukanow aus der ihm vorgelegten Kandidatenliste ausgewählt hatte, stellte der Bevollmächtigte des Präsidenten für das Königsberger Gebiet, Ilja Klebanow, ihn den Abgeordneten der Gebietsduma vor. Das Treffen fand hinter verschlossenen Türen statt und erfolgte in drei Etappen. Zunächst wurde Zukanow den Mitgliedern der Partei „Einiges Russland“ vorgestellt, dann der Fraktion der Kommunisten und zum Schluss den fraktionslosen Abgeordneten. Ilja Klebanow sieht in der Tatsache, dass der neue Gouverneur einen Großteil seines Lebens im nördlichen Ostpreußen verbracht hat, als besonderen Pluspunkt. Klebanow erklärte, die Nichtwiederaufstellung des amtierenden Gouverneurs Georgij Boos sei als Warnung an die Gouverneure anderer Regionen zu verstehen. Die Protestbewegung im Königsberger Gebiet habe Signalwirkung für das übrige Russland, dass die Politiker nicht ausschließlich das industrielle Wachstumstempo im Blick haben dürften, sondern auch verfolgen müssten, wie bei der einfachen Bevölkerung ankomme, was die Gouverneure machen.

Georgij Boos selbst hatte zuvor Nikolaj Zukanow äußerst positiv beschrieben. Er wies darauf hin, dass Gumbinnen, dem dieser in den vergangenen Jahren vorstand, die höchste Entwicklungsrate im gesamten Gebiet aufzuweisen hatte, sein Budget um das zwölffache gewachsen sei. „Wenn Ihnen meine Empfehlung etwas bedeutet, dann rufe ich Sie dazu auf, für Nikolaj Nikolajewitsch zu stimmen“, sagte Boos.

Die Duma-Sitzung, während der Zukanow „gewählt“ wurde, dauerte nur eine halbe Stunde. Er wurde mit 30 Stimmen bei neun Gegenstimmen als Gouverneur bestätigt. Bei seinem ersten Auftritt vor den Abgeordneten erklärte Zukanow, er wolle in den ersten drei Monaten nach seinem Amtsantritt ein Programm zur Lösung der drängendsten Probleme erarbeiten. Er sagte, die Regierung wolle all ihre Kraft zur Unterstützung industrieller Innovationen, der Logistik und des Tourismus bündeln. Zukanow sprach auch die momentanen Probleme an, allen voran die Schwierigkeit, das gegenseitige Verständnis und Vertrauen zwischen Politik und Volk wieder herzustellen. Weiter werde er den Zustand der kommunalen Wohnungswirtschaft überprüfen. Priorität habe vor allem die Förderung der Landwirtschaft, des Wohnungsbaus und der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Besondere Beachtung verdienten auch die Themen Gesundheitswesen und Bildung.

Noch-Gouverneur Georgij Boos hat indesssen angekündigt, am 24. September einen Vortrag zu halten, in dem er ein Resümee seiner fünfjährigen Arbeit ziehen wird. Seine Amtszeit endet am 28. September.   Jurij Tschernyschew


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