29.03.2024

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18.09.10 / »Touchy« mit Queen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

»Touchy« mit Queen
von Harald Fourier

Pariser gehen nicht in den Louvre, Washingtoner nicht ins Weiße Haus. Und ich war als echter Berliner noch nie im Berliner Dom. Das habe ich jetzt mit meiner Frau nachgeholt – und habe dabei etwas über die neuesten Geschäftspraktiken der evangelischen Kirche gelernt. Nichts Gutes.

Erstmal habe ich mich über die Eintrittspreise (fünf Euro) geärgert. Doch das ist in anderen Touristenmagneten wie Rom nicht anders. Der wirkliche Hammer kam dann aber in der Kirche. Dort wurde gerade eine Hochzeit gefeiert. Die Gäste waren sehr betuchte Leute, und alles war minutiös vorbereitet: Auf Wunsch des Hochzeitspaares wurde nicht etwa Kirchenmusik gespielt, sondern das Lied „Who wants to live forever?“ (Wer will für immer leben?) von der Gruppe Queen. Musste es ausgerechnet dieses Lied sein? Basiert nicht die christliche Lehre auf dem Versprechen, dass es ein ewiges Leben gibt? Und ist das nicht das genaue Gegenteil von dem, was das Lied besagt? Der Text ist für viele Interpretationen offen und nicht gegen Christentum gerichtet. Trotzdem fand ich das etwas merkwürdig.

Ich will nicht päpstlicher als der Papst sein und halte Rockmusik in der Kirche nicht automatisch für falsch. Aber als der Pastor, der das Paar traute, dann selbst davon sprach, dass ihm dieses Lied gefällt, weil es so „touchy“ sei, da dachte ich, ich höre nicht richtig. Warum benutzt er wohl so ein englisches Wort, fragte ich mich. Da „touchy“ von „berühren“ kommt, könnte er gedacht haben, „touchy“ bedeutet so etwas wie „rührend“. In Wirklichkeit bedeutet es „heikel“ – und das war das Lied ja auch!  Später sprach der Pastor noch von Gottes „down-to-earth-program“ (Herunter-auf-die-Erde-Programm), was immer das auch sein mag, und davon, dass es auch ohne „offenes Christusbekenntnis“ ginge.

Ich vermute die Schwierigkeiten der evangelischen Kirche (Mitgliederschwund) sind nicht zuletzt darin begründet, dass sich ihre Vertreter dermaßen stark dem Zeitgeist anbiedern und keine klare Haltung mehr  verkörpern. Nach diesem Besuch bei der Hochzeit um so mehr. Gegen geringes Entgelt werden offenbar Leute getraut, die eigentlich nichts mit „Gott, egal welchen Namen wir ihm geben“ (Originalton des Pastors) am Hut haben – und zwar nicht in irgendeiner darbenden Dorfkirche. Sondern sogar in einer der wichtigsten Kirchen der Christenheit in Deutschland, im Berliner Dom. Dieser Trend scheint auch im Nach-Käßmann-Zeitalter weiterzugehen. Schade.

Dies ist die letzte Berlin-Kolumne von Harald Fourier. Er prägte sie über viele Jahre, doch nun will er sich beruflich verändern. Wir danken unserem Kollegen für seine hervorragende Arbeit, wünschen ihm alles Gute und viel Erfolg. Die PAZ-Redaktion


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