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18.09.10 / Die Mogelpackung / Türkei: Per Referendum Richtung Gottesstaat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Die Mogelpackung
Türkei: Per Referendum Richtung Gottesstaat

Die vom türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und seiner konservativ-islamischen Partei AKP vorgeschlagene Verfassungsänderung wurde beim Referendum am Sonntag mit etwa 58 Prozent der Stimmen angenommen. Die Beteiligung lag bei 77 Prozent. Die Zustimmung war in

rückständigen ländlichen Gebieten deutlich größer als in den Städten – ausgenommen in Istanbul, wo etwa zwei Millionen Zuwanderer aus Ostanatolien leben.

Die europäischen Befürworter einer EU-Aufnahme der Türkei hatten es jedenfalls gut. Denn auch wenn sie sich pflichtgemäß „besorgt“ gezeigt hatten wegen der verschlechterten türkisch-israelischen Beziehungen und der Iran-Politik Ankaras, können sie nun das Ja als „weitere Festigung der Demokratie“ oder so ähnlich feiern. Und ein Nein hätten sie wohl als Wahrung des „sekulären Staatsverständnisses“ und der „Unabhängigkeit der Justiz“ gepriesen.

Die wichtigsten Änderungen: Die Zahl der Höchstrichter wird massiv erhöht, und die Richter werden vom Parlament, also von der AKP, bestellt. Das Verbot „islamischer Umtriebe“ und die Amnestie für Putsch-Generäle werden aufgehoben. Die Armee wird in Personalfragen weiter entmachtet. Und ab nun sind auch Individualklagen vor dem Verfassungsgericht möglich. Die Ironie dabei: Wo die Analphabetenrate höher ist, war auch die Zustimmungsrate höher.

Von besonderem Interesse war das Wahlverhalten der Kurden, deren Bevölkerungsanteil auf rund ein Fünftel geschätzt wird. Einige Kurdenparteien hatten zum Boykott aufgerufen, weil auch die neue Verfassung die Kurden nicht als eigene Volksgruppe erwähnt. Der überdurchschnittliche Ja-Anteil in den Kurdengebieten liegt aber offenbar an der dort extrem niedrigen Wahlbeteiligung – primär die ethnischen Türken gingen zur Urne – und nicht am Ja-Aufruf des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan.

Ob die Generäle in einer Art Verzweiflungsakt nun doch wieder in die Politik eingreifen, bleibt ebenfalls Spekulation. Viel könnte davon abhängen, welche Ratschläge ihnen ihr langjähriger Verbündeter Israel gibt.     RGK


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