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18.09.10 / Ein Colt für alle Fälle / Trotz zahlreicher Schießereien pochen viele US-Bürger auf ihr Recht auf Waffenbesitz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Ein Colt für alle Fälle
Trotz zahlreicher Schießereien pochen viele US-Bürger auf ihr Recht auf Waffenbesitz

Alles kann man den Amerikanern wegnehmen, nur nicht ihre geliebten Waffen zur Selbstverteidigung, die

Glocks, die 45er, Berettas und was es sonst noch gibt. Da weht immer noch der Geist von Wildwest und den Gründerjahren, festgesetzt im ständig zitierten „Second Amendment“, dem Zweiten Zusatzartikel der Verfassung, welcher besagt: „Eine geregelte Bürgerwehr, notwendig für die Sicherheit eines freien Staates, das Recht der Bürger, Waffen zu besitzen und zu tragen, darf nicht verletzt werden.“ So verfasst anno Domini 1791.

Nun sind jedoch über 200 Jahre vergangen, und die Gesellschaft hat sich gewandelt. Was nicht bedeutet, dass sie weniger gefährlich geworden ist. Im Gegenteil. Während die „High Noon“-Schießereien, von ungezählten Wildwest-Filmen romantisch verklärt, noch dem echten Überlebenskampf in unzivilisierter Gegend dienten, so verursachen die Schießereien, die jeden Tag die TV-Nachrichten und Zeitungen beherrschen, viele unnötige, unschuldige Opfern. Diese geraten in die üblichen Schusswechsel der Banden oder in Familienstreitereien, wo schussbereite Pistolen Argumente ersetzen. Schüler greifen statt zu Fäusten immer öfter zu Waffen. Autofahrer auf den Freeways werden manchmal „aus Spaß“ erschossen, und wehe, jemand lässt sich auf Vorfahrt-Streitereien ein. Eine tödliche Kugel ist manchmal die Antwort.

So werden die Stimmen nach Waffen-Kontrollen – vor allem von demokratischer Seite – immer lauter. Und dennoch kann kaum ein Politiker es wagen, sich für Waffen-Verbote einzusetzen, ohne seiner Wiederwahl Lebewohl zu sagen. Die Waffen-Organisation „National Rifle Association“ (NRA), deren Vorsitzender lange Jahre Charlton Heston war, ist so mächtig, dass sie fast die Ernennung der beiden Richterinnen für den Obersten Gerichtshof, Sonja Sotomayor und Elena Kagan, zu Fall gebracht hätte, da sie ihnen unterstellte, gegen Waffenbesitz zu sein. Und in der Tat stimmte Sotomayor im Juni in einer Entscheidung über ein Waffenverbots-Gesetz in Chicago mit den drei anderen liberalen Richtern des Obersten Gerichtshofs gegen die fünf konservativen, die das Gesetz abschmetterten. Die Entscheidung, den Bürgern von Chicago das Recht zu bestätigen, Waffen zu besitzen, zu erwerben und zu behalten, erschien einem Internet-Blogger namens Hal Turner dermaßen unverantwortlich, dass er auf seiner Internetseite meinte, die Richter „hätten es verdient, selber umgebracht zu werden“. Was soeben zu seiner Anklage und Verurteilung durch eine Jury führte. Danach kann er (das Strafmaß wird noch festgelegt) bis zu zehn Jahren Gefängnis erwarten.

Viele Amerikaner sind auch durchaus bereit, für ihr Recht auf Waffen offen einzutreten. So schwärmten vor kurzem Mitglieder der „South Bay Open Carry“-Organisation durch Redondo Beach bei Los Angeles. Sie befürworten das kalifornische Gesetz, Waffen ungeladen offen tragen zu dürfen, und verteilten Flugblätter mit dem „Second Amendment“. An der rechten Hüfte die Pistole, an der linken, getrennt, die Munition. So ist es erlaubt. Ausgenommen in öffentlichen Gebäuden, Schulen und Parks.

Mechaniker Ryan Burbridge hatte gleich seine ganze Familie mitgebracht, Frau und zwei kleine Kinder. Stolz auf seine „Rock Island 1911“-Pistole weisend, erklärte er: „Ich trage meine Pistole, wo immer ich hingehe. Ich möchte das Recht haben, meine Familie zu verteidigen und nicht als Gesetzesbrecher dastehen. Ich will nicht harmlose Bürger abschrecken, sondern Kriminelle. Wenn mehr Leute offen Waffen trügen, gäbe es weniger Verbrechen.“

Das konterkariert die Vorsitzende der „Brady-Kampagne zur Verhinderung von Waffengewalt“ in Los Angeles, Suzanne Verge, deren Bruder 1978 erschossen wurde: „Die Leute benutzen Waffen unkontrolliert in Augenblicken von Leidenschaft, unter Alkohol und Drogeneinfluss oder aus reiner Wut. Das ist einfach zu gefährlich, für sie und für andere. Ich glaube nicht, dass umgehängte Pistolen zur allgemeinen Sicherheit beitragen.“

Die Reaktion der Passanten beim „High Noon“ in Redondo Beach war geteilt. Dann rückte die Polizei an und zerstreute – in diplomatisch-freundlicher Diskussion – die Pistolenhelden mit der Empfehlung hübscher Restaurants. Schon war das „Second Amendment“ vergessen. „Man will ja kein Märtyrer sein“, sagte Maurer Charles Nichols, 43, steckte seine Pistole ein und folgte seinen hung-rigen Mitkämpfern zu einem Steak mit kühlem Bierchen. Liselotte Millauer


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