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18.09.10 / »Die Welt ist meine Vorstellung« / Vor 150 Jahren starb der Philosoph Arthur Schopenhauer – Ein einziger Gedanke in vier Büchern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

»Die Welt ist meine Vorstellung«
Vor 150 Jahren starb der Philosoph Arthur Schopenhauer – Ein einziger Gedanke in vier Büchern

Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer vertrat die Überzeugung, dass der Welt ein irrationales Prinzip zugrunde liege – er definierte die Welt als Wille und Vorstellung.

Arthur Schopenhauer wurde am 22. Februar 1788 in Danzig geboren. Die Familie siedelte 1793 nach Hamburg um, weil Danzig infolge der Zweiten Polnischen Teilung zu Preußen kam und dadurch seine bisherige Autonomie verlor. Vater Heinrich Schopenhauer gründete hier sein Handelshaus neu. Sein Sohn Arthur sollte das Unternehmen später einmal fortführen, aus diesem Grund besuchte er zur Vorbereitung auf den Kaufmannsberuf die Rungesche Privatschule. Nach dem Tode des Vaters brach Schopenhauer 1807 die Kaufmannslehre ab und besuchte zunächst die Schule in Gotha und später Weimar, wohin seine Mutter und Schwester mittlerweile übergesiedelt waren. Von 1809 bis 1813 studierte er an den Universitäten Göttingen und Berlin Medizin, Naturwissenschaften, Geschichte, Mathematik, Sprachen und in zunehmendem Maße Philosophie. 1813 wurde Schopenhauer, nachdem er Berlin wegen der herannahenden Kriegswirren verlassen hatte, von der Universität Jena zum Dr. phil. promoviert.

Durch Vermittlung der Mutter, die inzwischen in Weimar einen literarischen Salon unterhielt, trat er in nähere Beziehung zu Goethe, an dessen Farbenlehre er regen Anteil nahm. Seine eigene Theorie, die an Goethes Farbenlehre anknüpft, aber in ihrer subjektphilosophischen Ausrichtung ebenso von ihr abweicht, veröffentlichte er 1816 in der Schrift „Über das Sehen und die Farben“.

Die seit dem Tod des Vaters zunehmenden Spannungen mit der Mutter führten 1814 zum endgültigen Zerwürfnis. Schopenhauer ging nach Dresden, wo er sich von 1814 bis 1818 ganz der Abfassung seines Hauptwerkes „Die Welt als Wille und Vorstellung“ widmete, das im Dezember 1818 (mit Jahreszahl 1819) bei Brockhaus in Leipzig erschien.

Obwohl das Hauptwerk in vier Bücher gegliedert ist, die sich den klassischen Disziplinen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik zuordnen lassen, ist in ihm, wie Schopenhauer in der Vorrede erklärt, nur „ein einziger Gedanke“ ausgedrückt. In einer handschriftlichen Aufzeichnung hat er diesen Gedanken in den Ausdruck gefasst: „Die Welt ist die Selbsterkenntnis des Willens.“

Aufgrund des Hauptwerks habilitierte sich Schopenhauer 1820 an der Universität Berlin, der er als Privatdozent bis 1832 angehörte – jedoch las er hier nur ein einziges Semester. 1833 ließ er sich in Frankfurt am Main nieder. Während seine Philosophie weiterhin keinerlei Resonanz erfuhr, schrieb er einige kleinere Werke, die Teilaspekte seines Systems behandelten. 1839 und 1840 nahm er mit den Schriften „Über die Freiheit des Willens“ und „Über die Grundlage der Moral“ an Preisausschreiben der Dänischen und der Norwegischen Sozietät der Wissenschaften teil. Die beiden Preisschriften erschienen 1841 unter dem Titel „Die beiden Grundprobleme der Ethik“. 1844 erschien die zweite, erweiterte und durch einen weiteren Band ergänzte Auflage seines Hauptwerkes. 1851 brachte er die „Parerga und Paralipomena“ heraus, die unter anderem kürzere Abhandlungen zur Metaphysik der Geschlechtsliebe auch die recht unabhängig von seiner Philosophie verfassten „Aphorismen zur Lebensweisheit“ enthielten und die seinen nun schnell wachsenden Ruhm begründeten. Zu ihm trug auch in erheblichem Maß ein 1853 in einer englischen Zeitschrift erschienener Artikel bei.

In den knapp 30 Jahren, die Schopenhauer in Frankfurt lebte, erwarb er sich den Ruf eines misanthropischen Weisen. Sein Tagesablauf war streng geregelt: morgens die Arbeit am Schreibtisch, Flöte spielen regelmäßig vor dem Mittagessen. Die Mahlzeiten nahm er laut Überlieferung stets in Gasthäusern ein. Aus dem „Englischen Hof“ am Rossmarkt hält sich bis heute die Anekdote, sein außerordentlicher Appetit habe manches Mal Aufmerksamkeit erregt. „Herr Doktor, Sie essen ja wirklich für zehn“, soll ein Tischnachbar zu ihm gesagt haben. „Ja freilich“, habe er entgegnet, „aber ich denke auch für zehn!“

Am 9. September 1860 brach bei dem Philosophen eine Lungenentzündung aus. Nach „Atmungsbeschwerden mit starkem Herzklopfen im Gehen“ erlag er am 21. September 1860 der Erkrankung; die Beisetzung erfolgte fünf Tage später auf dem Hauptfriedhof von Frankfurt am Main.

Kaum ein deutscher Philosoph der Neuzeit hat sowohl breite Leserschichten als auch zahlreiche Berühmtheiten aus Kunst und Wissenschaft so unmittelbar erreicht wie Schopenhauer. Er beeinflusste maßgeblich Friedrich Nietzsche und Ludwig Wittgenstein, wurde verehrt von Richard Wagner, Leo Tolstoi, Samuel Beckett, Albert Einstein, Thomas Hardy, Henri Bergson, Kurt Tucholsky, Thomas Mann, Hermann Hesse, Wilhelm Busch und vielen anderen, aber auch Siegmund Freud und C.G. Jung griffen seine Gedanken auf. Corinna Weinert


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