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18.09.10 / Klassisches Soldatenlied / »Lili Marleen« ist jetzt eine umfassende Darstellung gewidmet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Klassisches Soldatenlied
»Lili Marleen« ist jetzt eine umfassende Darstellung gewidmet

Vor der Kaserne, vor dem großen Tor“, so beginnt das Lied „Lili Marleen“. Warum es im Zweiten Weltkrieg auf beiden Seiten der Frontlinien überaus populär und später zum klassischen Soldatenlied wurde, lässt sich nicht vollkommen erklären. Doch jedem einzelnen Soldaten schenkte es in schwieriger Lage Momente des Vergessens und der wehmütigen Erinnerung, in denen er sich dem Heimweh hingeben konnte. Die Verse hatte Hans Leip bereits 1915 gedichtet, doch vertont wurden sie erst 1937 vom erfolgreichen Komponisten Norbert Schulze – der, wie kolportiert wurde, auf eine von ihm komponierte Werbemelodie für eine Waschmittelreklame zurückgriff. Bekannt wurde die Aufnahme mit Lale Andersen 1941, nachdem das Lied zur Erkennungsmelodie des Soldatensenders in Belgrad geworden war. Dieser hatte die Aufgabe, Grüße sowie erheiternde und aufmunternde Musikstücke durch den Äther zu schicken. Wer alles über den melancholischen Schlager, dessen Entstehung und Nachwirkung wissen möchte, kann jetzt zu der umfassenden Darstellung „Lili Marleen – Die Geschichte von der Liebe und vom Tod“ greifen. Die Verfasserin Rosa Sala Rose wendet sich damit an ein breites Publikum. Die zahlreichen Fotos in diesem Buch tragen zur Anschaulichkeit bei, und sogar eine CD mit Originalaufnahmen und verschiedenen Versionen des Evergreens findet der Leser in einer Klappe auf der Innenseite des Buches.

Die Erstaufnahme der Schulze-Version – Lale Andersen hatte den Text mit der Melodie von Rudolf Zink bereits auf der Bühne vorgetragen – entstand im Sommer 1939 im „Elektrola“-Studio in Berlin, und zwar als B-Seite. Die Einspielung begann mit einem preußischen Zapfenstreich und einem Soldatenchor im Hintergrund unter der Vorgabe „dezente Marschmusik“. Der Anfangserfolg der Platte war bescheiden. Doch bereits um die Ursachen für die erste Abspielung des Titels durch den Belgrader Sender ranken sich Legenden. Diese sollten sich später auf nahezu alle und alles beziehen, was damit in Verbindung gebracht wurde.

Übersichtlich und gut nachvollziehbar hat die Autorin Ordnung geschaffen, ohne in allen Fällen Wahrheit und Irreführung sorgfältig trennen zu können, was schlichtweg oft nicht möglich ist. Der Belgrader Sender hatte eine große Reichweite: Zwischen Narvik und Kairo lauschten abends Millionen von Frontsoldaten dem Programm. In der Wüste Nordafrikas sollen deswegen sogar Gefechte unterbrochen worden sein. Dort pfiffen und sangen auch britische Landser das Lied nach, das wenig später in der Version von Anne Shelton erschien.

Die englische Schreibweise „Lili Marlene“ wählten die Textschreiber, um an die Interpretin Marlene Dietrich von 1943 anzuknüpfen. Diese  machte daraus einen Chanson ohne militärischen Charakter. So wurde die Trompetenfanfare des Auftakts durch ein Akkordeon ersetzt.

Dass dieses Lied eines Soldaten, der im Geiste mit seiner Geliebten spricht, von einer Frau interpretiert wurde, nahm anfangs nicht nur Hans Leip mit gemischten Gefühlen auf. Der Unstimmigkeit hatte die Schallplattenfirma „Elektrola“ im voraus allerdings Rechnung getragen, indem man ihm den Untertitel „Lied eines jungen Wachtpostens“ gab. Der Hörer sollte sich bei der sonoren Stimme der Lale Andersen gegebenenfalls einen männlichen Tenor vorstellen können. Doch es gefiel den Soldaten gerade, dass die Gefühle von Trauer und Sehnsucht durch eine Frauenstimme zum Ausdruck gebracht wurden, weil an der Front dergleichen nicht vorkam.

Alle Aufnahmen mit männlichen Interpreten sollten auch später scheitern, selbst diejenigen mit Perry Como, Al Martino und Freddy Quinn. Spätere Ausdeutungen wie etwa die Fassbinder-Verfilmung von 1981 stellten „die angebliche Unschuld des Liedes“ in Frage. In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, dass die Autorin alle Interpretationen des Phänomens äußerst differenziert beurteilt.       

            Dagmar Jestrzemski

Rosa Sala Rose: „Lili Marleen –Die Geschichte von der Liebe und vom Tod“, mit 21 Schwarzweißabbildungen und Audio-CD, dtv, München 2010, kartoniert, 240 Seiten, 20,50 Euro


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