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18.09.10 / Der Wahrsager / Thilo Sarrazin zeigt auf, wohin sich Deutschland zu entwickeln droht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Der Wahrsager
Thilo Sarrazin zeigt auf, wohin sich Deutschland zu entwickeln droht

Wohl nicht nur in der Buchhandlung am Hamburger Hauptbahnhof müssen die Mitarbeiter derzeit ständig Kunden auf später vertrösten, da die Nachlieferung des umstrittenen Buches des ehemaligen Finanzsenators von Berlin, Thilo Sarrazin, immer noch nicht da ist. Wohl selten war die Nachfrage nach dem Buch eines Ökonomen so groß.

Ein erster Blick in „Deutschland schafft sich ab – Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ zeigt vor allem Statistiken und Zahlenkolonnen samt deren Analyse. Bei allen Zahlen und vielen Aussagen beruft sich der Ex-Bundesbanker Sarrazin auf das Statistische Bundesamt, verschiedene Studien von Bundesministerien und Wirtschaftsinstituten, Publikationen von Wissenschaftlern und Journalisten wie beispielsweise vom „Spiegel“ oder öffentlich-rechtliche Fernsehdokumentationen. Jede einzelne seiner Darstellungen, die übrigens nur zu einem Teil das Thema Integration betreffen, hätte er für sich alleinstehend veröffentlichen können, aber die Häufung all dieser Erkenntnisse mit dem zusammenfassenden Fazit „Deutschland schafft sich ab“, gepaart mit seinen nicht immer rhetorisch ausgefeilten Interviews war zu viel für die politisch Korrekten in diesem Land. Letztendlich dürfte es ihr Aufschrei gewesen sein, der Sarrazins Buch zum Bestseller gemacht hat, denn das Buch selber ist, da sachlich und analytisch geschrieben, eigentlich nicht massentauglich.

Doch all das macht es nicht minder interessant. Es beginnt mit der Kritik an dem in Deutschland üblichen Verhalten, benachteiligte Gruppen von jeder Verantwortung für die Lage, in der sie sich befinden, frei zu sprechen. „Kann ein Schüler dem Unterricht nicht folgen, so liegt das an der Bildungsferne des Elternhauses“, so ein Argument, das gerade häufig von den Genossen des von einem Parteiausschlussverfahren bedrohten Sozialdemokraten angeführt wird. „Wer nicht lernt, bliebt unwissend“, meint dieser nur hierzu. Wie ein roter Faden zieht sich seine Einstellung, dass jeder in erster Linie seines Schicksals eigener Schmied ist, durch das Buch.

Der Autor wundert sich darüber, dass die Frage, wie das Weltklima in 100 oder 500 Jahren bei deutschen Politikern hektischen Aktionismus auslösen kann, sich aber keiner darum kümmert, wie man den sich abzeichnenden Problemen in diesem Land, die bereits in wenigen Jahrzehnten, Jahren oder gar in diesem Moment die Menschen plagen, begegnen kann.

Fast in der gesamten ersten Hälfte des Buches befasst sich Sarrazin mit den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Folgen der demographischen Entwicklung. Hierzu gehört auch die Erkenntnis, dass vor allem Empfänger von Sozialleistungen mehr Kinder bekommen als der Durchschnitt, was ihn zu dem Schluss veranlasst, dass Deutschland an Leistungsstärke verliere, denn diese Eltern würden bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen an ihre Kinder „vererben“. Begriffe wie „Konsumstruktur“, „Produktivität“, „relative Armutsgrenze“, „Islamophobie“ und „Nettoreproduktionsrate“ und deren Erläuterung in diesem Zusammenhang machen das Buch keineswegs zu einer leichten Abendlektüre. Doch die dramatischen Folgen dieser aufgezeigten, ungebremsten Entwicklungen werden auch ohne drastische Wortwahl klar ersichtlich und der Leser fragt sich, warum hier die Politik nicht eingreift, zumal Sarrazin Lösungen vorstellt.

Ein interessantes Detail, was in der Debatte um Sarrazins Ausführungen zum Thema Integration von muslimischen Zuwanderern bisher zu kurz gekommen ist, ist sein Hinweis auf Großbritannien. Und zwar zeigt er auf, dass laut Studien Inder deutlich besser integriert seien als ihre Nachbarn aus Bangladesch und Pakistan. Das einzige, was diese Zuwanderergruppen unterscheide, sei ihre Religion: Pakistani und Bangladescher sind fast durchweg Moslems.

Ansonsten führt Sarrazin zahlreiche Studien und Statistiken an, die belegen, dass eben gerade muslimische Zuwanderer sich nicht so gut integrieren. Einige Erfahrungsberichte wie beispielsweise der einer Neuköllner Schulleiterin hauchen den Zahlenkolonnen Leben ein. Sarrazin hier Rassismus zu unterstellen, wird schwierig, wenn man nicht alle jene Wissenschaftler und Forscher, die die Studien erstellten, und jene Zeugen mit ihm in diesen Topf werfen will.

Am Ende seines Buches betont der Autor, dass er sich wünscht, dass seine Nachfahren in 50 und auch in 100 Jahren in einem Deutschland leben, in dem die Verkehrssprache Deutsch ist und die Menschen sich als Deutsche fühlen. Man hat aufgrund der Reaktionen auf sein Buch den Eindruck, manche würden ihn auch wegen dieses Wunsches liebend gerne steinigen.   Rebecca Bellano

Thilo Sarrazin: „Deutschland schafft sich ab – Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“, DVA, München 2010, geb., 461 Seiten, 22,99 Euro


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