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18.09.10 / Falscher Totenschädel / Roman über das Geheimnis um Schillers Überreste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-10 vom 18. September 2010

Falscher Totenschädel
Roman über das Geheimnis um Schillers Überreste

Eine DNA-Untersuchung erbrachte 2008 den Nachweis: Die Gebeine in der Weimarer Fürstengruft, deren Zuordnung immer wieder angezweifelt wurde, stammen nicht von Friedrich von Schiller, sondern von einem unbekannten Mann. Merkwürdigerweise aber passte der Schädel perfekt zu Schillers Totenmaske. Folglich ergaben sich zwei Fragen: Hatte der Dichter einen Doppelgänger? Und: Wo befindet sich der echte Schädel? Schon früh hatten die merkwürdigen Umstände der Bestattung, Bergung und Umbettung der sterblichen Überreste Schillers Zweifel hinsichtlich Herkunft des in der Fürstengruft befindlichen Skeletts aufkommen lassen. Mit dieser Thematik hat sich Thomas Persdorf in seinem Roman „Caroline und der 53. Gast“ beschäftigt. Den „rätselhaften Totentanz von Schillers Gebeinen“ (Klappentext) verarbeitete er zu einer spannenden szenischen Abfolge, die kontrastreich von einer zu Herzen gehenden Liebesromanze umrankt wird. Letztere ist in der DDR der Vorwendezeit angesiedelt.

Zur Überraschung der ganzen Familie erhält die 62-jährige Leipzigerin Helena von Löschwitz eine Einladung zu einer nächtlichen Schiller-Gedenkfeier am 11./12. Mai 1980. Unterzeichner ist Professor Sipskoll, Leiter der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätte für Klassische Literatur Weimar, und Anlass ist der 175. Todestag Friedrich von Schillers, der am 9. Mai 1805 starb. Da der Verstorbene seinerzeit nachts um ein Uhr beerdigt wurde, was bei Begräbnissen von Standespersonen nichts Ungewöhnliches war, wurde die Gedenkfeier ebenfalls zu später Stunde angesetzt. Eigentlich hätte die Einladung an Helenas Mutter Magdalena Welcker ergehen müssen. Sie ist die 80-jährige Schwiegertochter des Hallenser Anatomen Hermann Welcker, der 1883 ein Buch über seine Untersuchung des vermeintlichen Schiller-Schädels veröffentlicht hatte. Sein Fazit lautete schon damals: „Der Schädel ist nicht ächt!“ Wer sich schließlich in gespannter Erwartung auf den Weg nach Weimar macht, ist Helenas Tochter, die junge Lehrerin Caroline von Löschwitz. Doch während der Feier erleidet Caroline nach mehreren traumatischen Erkenntnissen einen Zusammenbruch. Als es ihr besser geht, stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen zur Schädel-Frage an. Sie überlegt, ob womöglich Anhänger der damals betriebenen Phrenologie (Schädelkunde nach Gall) die Finger im Spiel hatten, da Bürgermeister Schwabe und seine Mit-Verschwörer 1826 in einer Nacht- und Nebelaktion Skelettreste aus dem Kassengewölbe geborgen hatten. Auch um Goethe kreisen ihre Mutmaßungen, hatte sich dieser doch 1826 den vermeintlichen Schiller-Schädel aushändigen lassen und ihn ein halbes Jahr lang in seinem Haus aufbewahrt. Damals entstand sein Gedicht „Schillers Schädel“. Dagmar Jestrzemski

Thomas Persdorf: „Caroline und der 53. Gast“, Engelsdorfer, Leipzig, broschiert, 458 Seiten, 12,90 Euro


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