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25.09.10 / Der Entlastungsangriff / Merkel setzt überraschende Akzente bei Atomkraft und »Stuttgart 21«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-10 vom 25. September 2010

Der Entlastungsangriff
Merkel setzt überraschende Akzente bei Atomkraft und »Stuttgart 21«

Der Wahlerfolg einer nationalkonservativen Partei in Schweden hat bestätigt, wie groß der Druck von rechts ist, unter dem die CDU steht. Bundeskanzlerin Merkel hat nun überraschend zwei konservative „Duftmarken“ gesetzt.

Schon im Streit um die Restlaufzeiten der Kernkraftwerke hat Angela Merkel Profil gezeigt: Die deutliche Verlängerung zu recht günstigen Konditionen für die Energieversorger ist vernünftig, aber wenig populär. Bemerkenswert ist, dass die Kanzlerin damit dem FDP-Minister Rainer Brüderle einen Erfolg beschert hat, während gleichzeitig Umweltminister Norbert Röttgen von der CDU – an sich ein Vertrauter Merkels – eine herbe politische Niederlage einkassiert hat. Die Abfuhr für Röttgen ist umso erstaunlicher, als der momentan im innerparteilichen Wahlkampf um den Landesvorsitz in Nordrhein-Westfalen steht.

In genau dieselbe Richtung zielte Merkels völlig überraschende und temperamentvolle Parteinahme für das große Verkehrsprojekt „Stuttgart 21“ in der Haushaltsdebatte. Der Projektname täuscht etwas darüber hinweg, dass es hier um das Kernstück einer

europäischen Hochgeschwindigkeitsstrecke von Paris bis Budapest geht, das für ganz Süddeutschland wichtig ist und überwiegend vom Bund finanziert wird.

In beiden Fällen hat die Kanzlerin gegen den Ruf der Straße und für die ökonomische Vernunft entschieden. Schon deswegen waren diese Entscheidungen eine Geste an die Konservativen, denen es zuwider ist, wenn Ideologen über die Energiepolitik entscheiden und wenn Demonstranten meinen, rechtmäßig von Parlamenten beschlossene und von Gerichten geprüfte Großprojekte gleichsam mit der Trillerpfeife stoppen zu können.

In beiden Fällen hat Merkel zudem große Anliegen der Südwest-CDU und ihres Ministerpräsidenten Stefan Mappus erfüllt. Baden-Württemberg nutzt die Kernkraft ziemlich intensiv und es zahlt mächtig drauf für die Subvention an Kohle, Wind und Sonne in anderen Bundesländern. Das Interesse an Stuttgart 21 ist sowieso klar. Die Südwest-CDU vertritt das Projekt auch gegen die Stimmung des Augenblicks offensiv im laufenden Landtagwahlkampf.

Bei dieser Wahl geht es Ende März 2011 nicht nur für Mappus, sondern auch für Merkel um Kopf und Kragen. Momentan stehen CDU und FDP im Südwesten zusammen bei 40 Prozent – in einem Land, in dem die CDU jahrzehntelang mit absoluter Mehrheit regiert hat. Dagegen kommen Grüne und SPD auf 48 Prozent, wobei die Grünen zuletzt auf 27 Prozent geklettert sind. Ein Verlust der Macht im Südwesten, womöglich an eine Koalition unter grüner Führung, wäre für die CDU ein Schock. Merkel hat sich nicht zuletzt deswegen mit den genannten zwei Projekten für den Südwesten engagiert. Ob ihr das auch in der bedrückenden Zuwanderungsfrage Entlastung bringt, ist indes völlig offen (siehe Kommentar Seite 8). Konrad Badenheuer


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