28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
25.09.10 / Tandem gerät aus dem Tritt / Schlammschlacht gegen Luschkow stellt Medwedews Macht auf die Probe – Putin schweigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-10 vom 25. September 2010

Tandem gerät aus dem Tritt
Schlammschlacht gegen Luschkow stellt Medwedews Macht auf die Probe – Putin schweigt

Das Regierungstandem Medwedew/Putin hatte wohl nicht damit gerechnet, dass eine Medienkampagne gegen Mos-kaus Oberbürgermeister Jurij Luschkow zur Machtfrage und zum verfrühten Präsidentenwahlkampf führen würde. Immer offener wird über Wladimir Putins Rückkehr ins Präsidentenamt 2012 spekuliert. Bis kurz vor der Wahl wollen beide Politiker sich bedeckt halten und die Regierungsgeschäfte in gewohnter Aufteilung fortführen.

Während Medwedew und Putin sich bemühen, nach außen den Schein des gut funktionierenden Tandems aufrechtzuerhalten, berichten Kremlinformanten jedoch von einem sich immer weiter zuspitzenden Machtkampf im Inneren. Ausgelöst hat ihn der schillernde Oberbürgermeister mit der Schiebermütze. Es heißt, Medwedew versuche bereits seit langem, Luschkow loszuwerden, unter dessen seit 18 Jahren währender Leitung die Korruption in der Hauptstadt seltsame Blüten trieb. Insbesondere soll Luschkows Ehefrau, Jelena Baturina, Inhaberin einer Baufirma, von der Protektion ihres Mannes profitiert haben. Sie ist heute mit über zwei Milliarden Euro die reichste Frau Russlands. Der Präsident rügte Luschkow, als dieser seinen Urlaub während der Torfbrände im August nicht unterbrach. Der ließ das nicht auf sich sitzen und schmähte den Präsidenten öffentlich wegen dessen Nachgiebigkeit gegenüber der Opposition. Medwedew ließ den Bau der Autobahn von Moskau nach St. Petersburg stoppen, nachdem Umweltschützer die geplante Trasse durch den Chimki-Wald vehement mit Sitzstreiks und Besetzung der Baumaschinen bekämpft hatten. Medwedew ordnete die Prüfung von Alternativen an. Den Auftrag zum Bau der Autobahn hat „Inteko“, die Firma Baturinas, inne.

Laut Gesetz hätte Medwedew Luschkow längst absetzen können, denn wie die Gouverneure ernennt der Präsident auch den Moskauer Oberbürgermeister. Oppositionspolitiker glauben jedoch, dass Medwedews Macht für eine solche Entscheidung nicht ausreiche. Der Kreml holte auf alterprobte Weise zum Schlag gegen Luschkow aus: In mehreren regierungsnahen TV-Sendern liefen eiligst zusammengeschusterte Dokumentarfilme über das Bürgermeisterpaar. Im Stil des „Kompromat“ der 90er Jahre wurde kompromittierendes Material über Jurij Luschkow und seine Frau ausgestrahlt, eine gnadenlose Abrechnung. Neben seiner Abwesenheit während der Brandkatastrophe wird Luschkow vorgeworfen, einem befreundeten Honigproduzenten 6,6 Millionen Euro und Brandopfern nur 2,7 Millionen Euro Nothilfe gezahlt zu haben, und Filetgrundstücke der Stadt erhielte stets die Firma seiner Frau. Für das Verkehrschaos auf Mos-kaus Straßen sei er ebenfalls verantwortlich, weil nur die Stadtteile gut ausgebaut würden, in denen Frau Baturina baut. Diese Schmutzkampagne ist untypisch für den liberalen Medwedew und hätte für ihn leicht zum Bumerang werden können. Obwohl 65 Prozent der Moskauer Luschkow für korrupt halten, würden 56 Prozent ihn bei einer Wahl unterstützen. Er ist Mitbegründer der Regierungpartei „Einiges Russland“. 1999 wollte er selbst für das Präsidentenamt kandidieren, doch als Putin an die Macht kam, zog er sich unter dessen Schutz zurück. Seitdem schaltet und waltet Luschkow in Moskau, wie es ihm beliebt. Diesmal hält Putin sich jedoch zurück. Auf einem Parteitreffen in Nischnij Nowgorod lehnte er jeden Kommmentar ab. Putin reist weiter durch das Land und gibt sich volksnah als Garant für Sicherheit. Mal über Brandherde fliegend, mal als Fahrer eines quietschgelben Sportwagens aus der Produktion des Lada-Werks in Togliatti.

Noch hält das Tandem den Reibereien, die innerhalb der Partei in Kreml und Regierung toben, stand. So sollen Medwedew und Putin sich geeinigt haben, Luschkow bald abzusetzen. Da dieser sich zur Zeit in Österreich aufhält, wo seine Frau ein großes Anwesen besitzt, kamen Gerüchte über seine Flucht auf. Als Nachfolger wird bereits Krisenminister Sergej Schojgu gehandelt. Die Medienkampagne passt eher zu Putin, der einen langjährigen Mitstreiter fallen lässt, um die Destabilisierung der Macht zu verhindern. Als Garant für Stabilität könnte er Medwedew als Präsident ablösen.         M. Rosenthal-Kappi


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren