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25.09.10 / Polizei auf verlorenem Posten / Selbst erwischte Autobrandstifter müssen kaum mit Strafe rechnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-10 vom 25. September 2010

Polizei auf verlorenem Posten
Selbst erwischte Autobrandstifter müssen kaum mit Strafe rechnen

Rund 300 politisch motivierte Autobrandstiftungen hielten 2009 allein in Berlin die Menschen in Atem. Inzwischen hat die juristische Aufarbeitung der nächtlichen Attacken begonnen. In Berlin steht ein 25-jähriger Niederländer vor Gericht.

Der Fall zeigt: Die Justiz tut sich nicht nur angesichts der Beweislage enorm schwer, Urteile zu fällen. Die Polizei kämpft indes mit falschen Vorgaben und unter wachsendem Sparzwang weiter.

Im März sprach das Berliner Landgericht einen 23-Jährigen frei: „Die Beweise reichen bei weitem nicht aus“, so die Richterin. Laut Staatsanwaltschaft hatten der Angeklagte und sein mutmaßlicher Komplize Lampenöl an der Kleidung, sie sahen sich am Tatort nervös um und wechselten die Kleidung. Doch Hinweise auf Brandbeschleuniger waren letztlich nicht zu ermitteln – Freispruch.

Der nun angeklagte Niederländer soll im Juni 2009 in Berlin-Kreuzberg ein Oberklasse-Auto angezündet haben. Auch bei ihm fanden Zivilfahnder nach der tatnahen Verhaftung verdächtige Spuren an der Kleidung: Grillkohleanzünder. Er versuchte noch, sie abzuwischen. Doch eine Verurteilung ist auch hier unwahrscheinlich. Ein erstes Verfahren war vom zuständigen Amtsgericht gar nicht erst eröffnet worden. Nun sitzt der Verdächtige ein zweites Mal in Untersuchungshaft – auf Beschwerde des Staatsanwalts. Der wolle unbedingt „ein Exempel statuieren“, wirft ihm der Beklagte vor. So könne es nicht angehen, dass er verurteilt werde, nur weil er „in einem Haus ohne Heizung“ lebe. Deshalb habe er Grillanzünder bei sich gehabt – im Juni: Berlin war mit durchschnittlich 18,5 Grad vergangenen Sommer das wärmste Bundesland.

Auch Hamburg ist von Brandanschlägen betroffen. Joachim Lenders, der dortige Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sagte dieser Zeitung zur rechtlichen Aufarbeitung der Fälle: „Abenteuerliche Ausreden, warum man mit Brandbeschleuniger in Tatortnähe angetroffen wird, sind keine Seltenheit, führen aber leider nicht automatisch zu einer Verurteilung. Dann lautet es leider wieder: im Zweifel für den Angeklagten, selbst wenn seine Version wenig glaubhaft ist.“

Es gibt sie, die Festnahmeerfolge, so jüngst beim bekannten Hamburger Schanzenfest. Auf Spurensicherung legen die Beamten großen Wert. Nicht deren Ausbildung, sondern ihre geringe Zahl behindert den Kampf gegen die Feuerleger: „Wir haben ein grundsätzliches Personalproblem. Überall fehlen Beamte – das eigentliche präventive Streifefahren wird immer weniger möglich. Wir werden zu einer reinen Einsatzpolizei. Ich will damit sagen, dass wir häufig von Einsatz zu Einsatz fahren, aber nicht mehr wirklich Streife. Das wissen natürlich auch die Täter“, so Lenders.

Die für die Sonderkommissionen (Sokos) gegen Autobrandstiftung nötigen Beamten müssen anderswo abgezogen werden. Berlins Polizisten stehen vor ähnlichen Problemen. Bodo Pfalzgraf, Berlins DPolG-Landesvorsitzender, ist Spezialist in Fragen der Ausstattung der Polizei und der Prävention: „Wir befinden uns auf dem Weg dahin, dass uns das Kiez-Wissen verlorengeht – die Kontaktbereichsbeamten können wegen anderer Dienste nicht mehr wie früher vor Ort sein.“

In der Hauptstadt erschwert nicht nur der Zwang, Brandstifter quasi auf frischer Tat zu ertappen, die Lage. „Politisch motivierte Autobrandstiftungen haben wir in Berlin dieses Jahr bisher rund 50 gehabt – die Medien berichten darüber nicht mehr so sehr“, so Pfalzgraf. Obwohl teils Lebensgefahr besteht, drohen die Fälle Alltag zu werden. Der Schaden trifft Bürger ohne Vollkasko-Schutz am härtesten, also nicht die „Bonzen“, das angebliche Feindbild linksmotivierter Zündler. „Die von Links angezettelten Autobrandstiftungen sind inzwischen bei den unpolitischen Pyromanen angekommen – jetzt brennen kaum noch Mülltonnen in Berlin, dafür Autos“, sagt Pfalzgraf.

Polizisten haben Erfahrungen mit den Tätern jenseits der Statistik: Autobrandstifter legen überwiegend Feuer, wo sie wohnen. „Die sind gut vorbereitet. Im Internet gibt es regelrechte Handbücher, sozusagen für den kleinen Kiez-Terroristen“, erläutert Pfalzgraf. Einschlägige Internetseiten böten Strategien gegen die Polizeiarbeit. Wegen ausbleibender politischer Unterstützung droht der Polizei ein Kampf auf verlorenem Posten. Der Berliner DPolG-Chef kritisiert: „Vor allem die Politik macht uns das Leben schwer. Der gesellschaftliche Konsens gegen jede politische Gewalt ist aufgegeben worden, doch wenn wir politische Gewalt ablehnen, muss das auch für linke Gewalt gelten – das wird von der Politik nicht gelebt.“

Ihm geht es wie seinem Hamburger Kollegen Lenders längst nicht mehr um die übliche gewerkschaftliche Rhetorik in Personalfragen. Der Umgang mit den Brandstiftern legt exemplarisch Versäumnisse offen: „Politiker halten gerne Fensterreden, wie wichtig die Innere Sicherheit für sie ist. Den schönen Reden folgen dann aber meistens keine Taten“, so Lenders. Im Gegenteil: Polizeistellen würden abgebaut mit dem Hinweis auf leere Kassen. „Und zu allem Überdruss wird dann an die Bevölkerung appelliert, selbst Vorsorge zu treffen. Längst nicht jeder kann sich aber eine Alarmanlage in der Wohnung, am Haus oder im Auto leisten“, sagt der Hamburger – er saß selbst von 2001 bis 2004 als CDU-Politiker im Hamburger Parlament und im Innenausschuss. Der Prozess gegen den Niederländer geht Anfang nächster Woche weiter.   Sverre Gutschmidt 

Foto: Immer wieder nimmt die Polizei mutmaßliche Autobrandstifter fest. Doch die Beweisanforderungen vor Gericht sind schwer zu erfüllen: Der Kreuzberger Sami Aydoglu vor seinem in der Nacht angezündeten Wagen


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